Mit dem größtmöglichen Stillstand zur optimalen Atomuhr

Forscher der PTB in Braunschweig haben ein Verfahren entdeckt, um mittels Quanten-Algorithmen Ionen zum Stillstand zu bringen.

Ungleiche Partner werden gekühlt: Ein einzelnes Beryllium-Ion (violett, links) und ein einzelnes hochgeladenes Argon-Ion (blauweiß, rechts) werden von verschiedenen Seiten mit Lasern beschossen und nahezu zum völligen Stillstand gebracht.
Ungleiche Partner werden gekühlt: Ein einzelnes Beryllium-Ion (violett, links) und ein einzelnes hochgeladenes Argon-Ion (blauweiß, rechts) werden von verschiedenen Seiten mit Lasern beschossen und nahezu zum völligen Stillstand gebracht. | Foto: Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Braunschweig. Forscher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben ein Verfahren entdeckt, um mittels Quanten-Algorithmen Ionen zum Stillstand zu bringen. Damit soll es möglich sein, noch genauere optische Atomuhren herzustellen. Aber auch für die Entwicklung von Quantencomputern und für die Präzisionsspektroskopie seien diese Ergebnisse von großer Bedeutung. Das teilt die PTB in einer Pressemitteilung mit.



Laserstrahlen können nicht nur erhitzen, sondern auch kühlen. Das ist unter Physikern, die sich der Präzisionsspektroskopie oder der Entwicklung optischer Atomuhren verschrieben haben, nichts Neues. Aber neu ist die extrem geringe Temperatur, die Forschende am QUEST-Institut in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) an diesem speziellen Forschungsobjekten erreicht haben: Noch nie zuvor waren hochgeladene Ionen auf nur 200 Mikrokelvin heruntergekühlt worden. Das gelang den Teammitgliedern, indem sie ihre etablierten Methoden der Laserkühlung an gekoppelten Ionen mit Methoden aus dem Bereich des Quantencomputing verbanden: Quanten-Algorithmen sorgten dafür, dass Ionen, die sich dafür eigentlich zu unähnlich sind, nun doch gemeinsam heruntergekühlt werden konnten. Damit rückt eine optische Atomuhr mit hochgeladenen Ionen näher, die noch genauer werden könnte als andere optische Atomuhren. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe von Physical Review X publiziert.

Größtmöglicher Stillstand


Will man Teilchen, beispielsweise Ionen, extrem genau untersuchen – etwa mit Präzisionsspektroskopie oder um in einer Atomuhr ihre Frequenz zu messen –, dann muss man sie möglichst weit zum Stillstand bringen. Größtmöglicher Stillstand ist dasselbe wie geringstmögliche Temperatur; man muss also möglichst effizient kühlen. Eine etablierte High-Tech-Kühlmethode ist die sogenannte Laserkühlung. Dabei bremsen geschickt angeordnete Laser die Teilchen aus. Allerdings ist nicht jedes Teilchen für diese Methode gut geeignet. Daher verwendet man im QUEST-Institut schon länger gekoppelte Ionen: Ein Ion (das Kühl- oder Logik-Ion) wird per Laser gekühlt, das gekoppelte Partner-Ion wird mitgekühlt und kann dann spektroskopisch untersucht werden (Spektroskopie-Ion). Doch diese Methode kam bisher an Grenzen, wenn sich die beiden Ionen in ihrem Masse-Ladungs-Verhältnis zu sehr unterschieden – sprich wenn sie sehr unterschiedlich schwer und sehr unterschiedlich geladen sind. „Nun sind aber ausgerechnet solche Ionen besonders interessant für unsere Forschung, etwa für die Entwicklung neuartiger optischer Uhren“, erklärt QUEST-Physiker Steven A. King.


Da er und sein Team natürlich sehr erfahren in der Anwendung der Quantengesetze sind (schließlich beruht die gekoppelte Kühlung auch auf Quantengesetzen), haben sie den Baukasten der Quantencomputerforscher bemüht. Und siehe da: Quanten-Algorithmen, also Rechenoperationen, die auf der Manipulation einzelner Quanten basieren, lassen sich nicht nur nutzen, um mit einem Quantencomputer schneller als je zuvor zu rechnen. Mit ihrer Hilfe kann man auch dem bislang so sperrigen ungleichen Paar Bewegungsenergie entziehen. Beim sogenannten algorithmischen Kühlen werden dazu Quantenoperationen verwendet, die Energie von einer schlecht kühlbaren Bewegung des Spektroskopie-Ions auf eine gut kühlbare Bewegung des Logik-Ions übertragen.

Nah am absoluten Nullpunkt


Und es gelang ihnen wirklich gut: „Wir konnten dem Ionenpaar, das aus einem einfach geladenen Beryllium-Ion und einem hochgeladenen Argon-Ion bestand, so viel Energie entziehen, dass ihre Temperatur schließlich nur noch 200 Mikrokelvin betrug“, sagt QUEST-Doktorand Lukas J. Spieß. So nah am absoluten Nullpunkt (sprich: so bewegungslos) war ein derartiges Ensemble noch nie. „Zudem haben wir ein bisher unerreicht niedriges Rauschen des elektrischen Feldes beobachtet“, ergänzt er. Dieses Rauschen führt zu einem Aufheizen der Ionen, wenn nicht mehr gekühlt wird, was hier besonders niedrig ausfällt. Beides zusammen bedeutet: Die entscheiden Hürde ist überwunden, um eine optische Atomuhr zu bauen, die auf hochgeladenen Ionen beruht und eine Unsicherheit von unter 10–18 erreichen kann. Diese magische Grenze erreichen gegenwärtig nur die besten optischen Atomuhren der Welt. Aber auch für die Entwicklung von Quantencomputern und für die Präzisionsspektroskopie sind diese Ergebnisse von großer Bedeutung.


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