Berlin. Das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ist angesichts des starken Zuzugs von Migranten so überlastet, dass Mitarbeiter einen Beschwerdebrief an die Behördenleitung geschrieben haben. Unter der Überschrift "Hilferuf" warnen die Mitarbeiter in dem Schreiben, über das die "Welt" (Samstagausgabe) berichtet, vor einer völligen Überforderung, kritisieren die Arbeitsbedingungen, machen Verbesserungsvorschlage und erklären, dass dem Land Berlin aufgrund der Umstände bei der Betreuung von Asylbewerbern weitreichender finanzieller Schaden entstehe.
"Die Arbeitsbedingungen haben unser Maß des Erträglichen längst erreicht. In keiner anderen Behörde herrschen solche katastrophalen Zustände! Wir haben gemahnt, appelliert und aufgefangen, aber jetzt brechen wir unter der Arbeitslast zusammen", heißt es in dem "Hilferuf", den 40 Mitarbeiter der Abteilung Leistungsgewährung unterschrieben haben. "Wir haben nicht den Eindruck, dass Ihnen die massiven Probleme ... überhaupt im ganzen Ausmaß bewusst sind", heißt es an die Adresse der Behördenleitung. "Jeder Sachbearbeiter hat doppelt so viele Fälle zu bearbeiten wie überhaupt zu schaffen sind, und täglich kommen neue hinzu", klagen die Mitarbeiter.
Die Zustände der Krisensituation 2015/2016 wiederholten sich. In dem Brief an die Behördenleitung heißt es weiter: "Ursprünglich wurden für eine Vollzeitkraft 120 bis 150 Fälle prognostiziert. Mittlerweile sind es jedoch 250 bis 300 Fälle pro Vollzeitkraft." Die Folge sei, dass Anträge nicht so umfassend geprüft würden, wie es nötig wäre, Menschen daher Mittel erhielten, die ihnen so nicht zustehen.
"Rückforderungen, stellenweise fünfstellige Beträge, verjähren, weil die Sachverhalte nicht rechtzeitig an den Bereich Forderungsmanagement abgegeben werden können. Dem Land Berlin droht ein massiver finanzieller Schaden!" Eine Sprecherin der Behörde bestätigt auf "Welt"-Anfrage mit Blick auf die Aussagen zu den Fallzahlen: "Dies ist zutreffend, wobei die Fallzahlen pro Sachbearbeitung zwischen 150 und 300 Fälle liegen. Die Mitte 2021 prognostizierte Fallanzahl konnte aufgrund der unvorhersehbaren Flüchtlingszahlen nicht gehalten werden." Dass Fälle aufgrund von Überlastung nicht mehr sachgerecht abgearbeitet werden könnte, treffe aber "so pauschal nicht zu".
"Der sogenannte Hilferuf verkennt die insbesondere seit Ende letzten Jahres eingeleiteten unterstützenden Maßnahmen für die Leistungssachbearbeitung", sagte die Sprecherin. "Insbesondere die vorgenommenen internen Prozessanpassungen." Und weiter: "Das LAF ist in den letzten Jahren nicht so gewachsen, wie das Arbeitsaufkommen angestiegen ist", teilt die Behörde auf Anfrage mit. "Während die Anzahl derjenigen, die vom LAF untergebracht werden müssen, sich demnächst im Vergleich zu 2022 verdoppelt haben wird, hat das LAF aktuell mit rund 532 besetzten Vollzeit-Stellen ganze drei Stellen mehr als vor Beginn Ukraine-Kriegs. Dies bedarf einer Gesamtanstrengung des Senates", heißt es in der Stellungnahme des LAF.
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