Nach Kieferbruch: Braunschweiger Neonazi freigesprochen

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Im Prozess gegen einen bekannten Braunschweiger Neonazi fiel am heutigen Freitag das Urteil. Fotos: Werner Heise
Im Prozess gegen einen bekannten Braunschweiger Neonazi fiel am heutigen Freitag das Urteil. Fotos: Werner Heise | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel/Braunschweig. Im Zweifel für den Angeklagten, so begründet sich der Freispruch für einen bekannten Braunschweiger Neonazi, der am heutigen Freitagvormittag durch das Amtsgericht Wolfenbüttel geurteilt wurde. Dem Mann wurde vorgeworfen, am 31. August 2018 in Cramme einem damals 18-Jährigen mit einem unvermittelten Faustschlag den Kiefer doppelt gebrochen zu haben. Doch die vorgetragenen Beweise, dass der 27-jährige Braunschweiger die Tat auch wirklich begangen habe, ließen Zweifel offen.


Bereits während des ersten Prozesstages am Montag sagten zahlreiche Zeugen in der Sache vor Gericht aus. Einige von ihnen erklärten, dass sie den Angeklagten als Täter identifizieren könnten. Doch ob sich diese Erinnerungen tatsächlich auf den Tatabend oder auf ein am folgenden Tag im Internet gefundenes Foto beziehen, war am Ende fraglich. Die Polizei hatte am Tatabend keine Täterbeschreibung aufgenommen. Und so zeigte bereits die Oberstaatsanwältin in ihrem Plädoyer erste Zweifel, ob es sich bei dem Angeklagten auch um den Täter handelt. Die Erinnerung der Zeugen "fußt auf wackeligen tönernen Fakten", sagte sie und erklärte, dass diese nicht Grundlage einer Verurteilung sein könnten. Weitere Indizien würden fehlen. Zudem sieht die Oberstaatsanwältin eine Abweichung zu den bisherigen Taten des mehrfach vorbestraften Braunschweiger Neonazis. Diese hätten stets eine Vorgeschichte gehabt, die es ihrer Ansicht nach hier nicht gebe. Seitens der Staatsanwaltschaft beantragte sie somit einen Freispruch.

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei


Für die Nebenklage des Opfers erklärte dessen Verteidiger, dass er es zwar nachvollziehen könne, wenn das Gericht so entscheiden würde, plädierte jedoch für eine Verurteilung. Man sehe es als erwiesen an, dass der Braunschweiger die Tat begangen habe. Der Angeklagte habe kein Allerweltsgesicht und eine unverwechselbare Statur. Auch wenn die Zeugen vor der Abgabe ihrer Täterbeschreibung ein Foto des Neonazis aus dem Internet gesehen haben, so sei man sich sicher, dass die Wiedererkennung auch aufgrund der Frische der Tat gegeben war. Seitens der Polizeiarbeit am Tatabend erhob der Verteidiger schwere Vorwürfe. Die Polizeibeamten seien ihrem Auftrag nicht nachgekommen. "Es wäre ein Leichtes gewesen zur Wohnung zu gehen und Beweise zu sichern", kritisierte er und bezog sich dabei auf die Tatsache, dass die Zeugen gesehen hätten, in welches Haus der Täter und seine Begleiter verschwunden sind. "Ich bin mir sicher, dass man dort den Täter angetroffen hätte", sagte er und bezog sich dabei auf den Angeklagten. Anders als die Staatsanwältin sah die Nebenklage auch, dass das Vorgehen durchaus zum Angeklagten passen würde. So eine Tat sei ihm nicht charakterfremd.

Für die Pflichtverteidigerin gab es keine Beweise, dass ihr Mandant an besagtem Tag in Cramme war und so bekräftigte der Braunschweiger in seinem letzten Wort vor dem Urteil noch einmal, dass er die Tat nicht begangen habe.

Schöffengericht urteilte


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Wie bereits hier am Montag, gab es auch am heutigen Freitag erhöhte Sicherheitsvorkehrungen für den Prozess. Zahlreiche Polizeibeamte waren vor und im Amtsgericht präsent. Foto: Werner Heise



Letztendlich urteilte das Schöffengericht einen Freispruch. Der vorsitzende Richter begründete dies mit vorliegenden Zweifeln aufgrund mangelnder Beweislast. Es lägen weder GPS-Daten vor, die einen Aufenthalt des Angeklagten in Cramme beweisen, noch eine Erkenntnis über Spuren von Verletzungen, die der Täter mutmaßlich noch nach der Tat an seiner Faust hätte tragen müssen. Das Einzige was bleibe sei das Wiedererkennen durch Zeugen, das zwar in bestimmten Fällen ausreiche, hier jedoch nicht. Eine Vorprägung oder Suggestion bei der Personenbeschreibung könne aufgrund der zuvor gesehenen Fotos nicht ausgeschlossen werden.


In Richtung des Angeklagten warnte der Richter jedoch ausdrücklich davor, nun triumphierende Gefühle oder Genugtuung zu äußern. Er erinnerte an seine Bewährungsstrafen und dass er diese als Chance verstehen solle. In über 60 Prozent der Fälle werde diese Chance genutzt, bei den Restlichen zeige der Staat die volle Härte.

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