Braunschweig. Kürzlich machte das Bundeverfassungsgericht mit einem Urteil Schlagzeilen, das viele Autofahrer hellhörig werden ließ. Der Halter eines Autos aus Siegburg (Nordrhein-Westfalen) hatte wegen eines 30-Euro-Parkbußgeldes bis zur höchsten Instanz geklagt und Recht bekommen. Warum das trotzdem kein Freifahrtschein und eigentlich ein alter Hut ist, lesen Sie in diesem Artikel.
Darum ging es: Der Halter des Autos hatte ein Bußgeld wegen abgelaufener Parkscheibe nicht bezahlt und auch sonst die Aussage verweigert. Das zuständige Amtsgericht verurteilte ihn daraufhin zu einer Geldbuße in Höhe von 30 Euro wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstparkdauer. Das Oberlandesgericht Köln ließ eine Rechtsbeschwerde nicht zu. Anders sah es allerdings das Bundesverfassungsgericht.
Nachweis liegt nicht vor
Dieses hob das Urteil des Amtsgericht mit der Begründung auf, dass dieses gegen das aus dem Grundgesetz abgeleitete Willkürverbot verstoße. Der Halter eines Autos könne nicht für ein Parkvergehen bestraft werden, wenn ihm nicht nachzuweisen ist, dass er das Auto auch zu diesem Zeitpunkt genutzt habe. Vor dem Amtsgericht sei lediglich ein Foto des Autos vorgelegt worden. Dies reiche als Beweis nicht aus. Im Übrigen sei dies nichts Neues. Bereits im Jahr 1993 habe das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsauffassung klargestellt.
Daher kommt für die Stadt Braunschweig, die regionalHeute.de exemplarisch zu diesem Thema angefragt hat, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht überraschend. "Die Rechtslage ist seit langem klar. In Braunschweig wäre gegen den Halter des Fahrzeuges kein Bußgeldbescheid erlassen worden", teilt Stadtsprecher Rainer Keunecke mit.
Kein Schuldiger - kein Bußgeld
Wenn bei einem Parkverstoß keine Personalienfeststellung des Fahrzeugführers erfolgt - was der Regelfall sei - und der Halter, der anschließend einen Anhörungsbogen mit dem Vorwurf erhält, nicht ausdrücklich zugibt, zum Vorfallszeitpunkt auch der Fahrzeugführer gewesen zu sein, sondern den Vorwurf bestreitet oder auch den Anhörungsbogen einfach nicht zurückschickt, dann könne die Verwaltungsbehörde meistens nicht wissen oder feststellen, wer nun eigentlich der "Schuldige" war. Es könne also kein Bußgeldbescheid erlassen werden.
"Denn der Halter muss ja nicht unbedingt auch der Fahrzeugführer gewesen sein. Die Ordnungswidrigkeit kann aber nur der tatsächliche Fahrzeugführer begangen haben", erklärt Keunecke.
Nicht zu früh freuen!
Doch wer jetzt denkt, man könne so leicht um ein Bußgeld herum kommen, der freut sich zu früh. Denn für die Stadt Braunschweig (und vermutlich auch alle anderen Parkgebühr erhebenden Kommunen) ist die Sache damit nicht erledigt. Konsequenterweise müsse bei einer solchen Sachlage das zunächst einmal gegen den Fahrzeughalter eingeleitete Bußgeldverfahren eingestellt werden, erklärt Keunecke weiter. "Da dies in einer großen Anzahl von Fällen zu geschehen pflegt und der Staatskasse hierdurch erhebliche Bearbeitungskosten entstanden sind, hat der Bundesgesetzgeber die sogenannte Halterhaftung für Verstöße im ruhenden Verkehr eingeführt", berichtet der Stadtsprecher.
Diese besagt: "Kann in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halte- oder Parkverstoßes der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden oder würde seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern, so werden dem Halter des Kraftfahrzeugs oder seinem Beauftragten die Kosten des Verfahrens auferlegt."
Verfahrenskosten statt Bußgeld
Das bedeutet: Der Halter muss kein Bußgeld bezahlen, nach Eintritt der Verfolgungsverjährung aber die Kosten des Verfahrens. Das passiere in Braunschweig zirka 2.000 mal pro Monat – bei jährlich insgesamt bis zu 145.000 entsprechenden Verfahren.
mehr News aus der Region