Berlin. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat am Mittwoch seine Pläne für einen "Auswahlwehrdienst" vorgestellt.
Künftig sollen demnach alle 18-Jährigen digital für einen Fragebogen zur Wehrerfassung kontaktiert werden. Für Männer soll das Ausfüllen des Bogens verpflichtend sein, für Frauen freiwillig. So soll das Interesse möglicher Bewerber, ihr Gesundheitszustand und beispielsweise ihre Hobbys erhoben werden. Viel mehr junge Leute müssten sich dadurch die Frage stellen, ob ein Wehrdienst für sie in Frage käme, sagte der SPD-Politiker.
Die "fittesten, geeignetsten und interessiertesten" 40.000 bis 50.000 jungen Erwachsenen jedes Jahrgangs sollen dann - ebenfalls verpflichtend - zur Musterung eingeladen werden. Pistorius erklärte zugleich, dass jeder weiterhin ein verbrieftes Recht auf Kriegsdienstverweigerung habe.
Insgesamt sollen so zunächst 5.000 zusätzliche Rekruten gewonnen werden, mit steigender Tendenz. Ihnen werden zwei Optionen angeboten: ein Grundwehrdienst mit einer Dauer von sechs Monaten für Gewehrträger mit geringerer Qualifikation. Oder ein Wehrdienst von zwölf bis 17 Monaten, bei dem die Teilnehmer tiefer in die Strukturen der Bundeswehr integriert werden und so beispielsweise lernen, bestimmte IT-Dienstleistungen zu erbringen oder Panzer zu fahren.
Der Wehrdienst solle "sinnstiftend" sein, erklärte Pistorius. Mit einer Verpflichtungsprämie, einem möglichen Bonus für den Numerus Clausus und die im Wehrdienst erworbenen Kenntnisse und Bescheinigungen, wie etwa dem Führerschein, sollen mögliche Anwärter überzeugt werden.
Zur Debatte, dass die Pflichten weiterhin nur für Männer gelten, verwies Pistorius darauf, dass für eine Wehrpflicht für Frauen eine Grundgesetzänderung nötig wäre. Rund ein Jahr vor der Bundestagswahl würde dies seiner Ansicht nach zu lange dauern, um auf einer Verfassungsänderung aufbauend ein einfaches Gesetz zu verabschieden, das rechtzeitig seine Wirkung entfaltet.
Der Verteidigungsminister begründete seine Initiative mit einer durch den Ukrainekrieg veränderten Situation. Die verbalen Attacken von Russlands Präsident Wladimir Putin und aus der Staatsduma gegen Nato-Länder nähmen zu und die russische Wirtschaft sei in eine Kriegswirtschaft umgewandelt wurden. Bis 2029 werde Russland militärisch in der Lage sein, einen Nato-Staat anzugreifen.
Die bestehende Personallücke der aktiven Truppe soll allerdings nicht allein mit der Wehrdienstreform geschlossen werden. Wenn es gelinge, dass sich junge Männer und Frauen bei der Bundeswehr für längere Zeit verpflichten, sei dies ein positiver Nebeneffekt.
Insgesamt sieht Pistorius die Notwendigkeit, die Zahl der aktuell 181.000 Streitkräfte auf 203.000 zu erhöhen. Durch die Wehrdienstpläne sollen außerdem zu den 60.000 Reservisten 200.000 Personen hinzukommen, die nach dem Wehrdienst in die Reserve überführt werden. Zum Vergleich: Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es rund 500.000 Streitkräfte und etwa 800.000 Reservisten.
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