Niedersachsen will Oberstufe und Abitur weitreichend reformieren

Es soll eine Anpassung an die aktuellen gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen erfolgen. Handlungsdruck besteht außerdem durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.

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Symbolfoto. | Foto: pixabay

Niedersachsen. Das niedersächsische Kultusministerium arbeitet seit Monaten gemeinsam mit Fachverbänden und Interessenvertretern an einer grundlegenden Reform der gymnasialen Oberstufe. Ziel ist es, die Oberstufe an die aktuellen gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen anzupassen. Auch bei den Abi-Prüfungen soll es Änderungen geben. Darüber informiert das Kultusministerium in einer Pressemitteilung.



Dabei soll es unter anderem um eine stärkere individuelle Profilbildung der Schülerinnen und Schüler bei der Fächerwahl gehen. Ebenso stünden die Verbesserung der Chancengleichheit, das Schaffen von Freiräumen und Entlastung sowie die Anpassung an gesellschaftliche und technische Entwicklungen und die Förderung von Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorbereiten, im Mittelpunkt.

Vergleichbarkeit soll besser werden


Anlass für die Überarbeitung der niedersächsischen Vorgaben für die gymnasiale Oberstufe und die Abiturprüfungen sei die Überarbeitung der bundesweiten Vereinbarung durch die Kultusministerkonferenz (KMK) im März 2023 gewesen. Demnach streben die Bundesländer eine größere Vergleichbarkeit des Abiturs in Deutschland an. Damit werde auch der Forderung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen. Bereits in einem Urteil aus dem Jahr 2017 hatte das höchste deutsche Gericht von den Bundesländern eine verbesserte, länderübergreifende Vergleichbarkeit der Abitur-Noten gefordert.

Die laut Kultusministerium erste weitreichende Reform der Oberstufe seit fast 20 Jahren werde derzeit entwickelt. Kürzlich wurden die bislang entwickelten Eckpunkte vorgestellt. Diese bildeten die Grundlage für die Ausarbeitung der Verordnung aber auch für die nun folgende Konzeptionierung der Einführungsphase.

Um diese Punkte geht es


Größtmögliche Wahlfreiheit für Prüflinge: Um den Schülerinnen und Schülern eine individuelle Profilbildung zu ermöglichen, sollen die bisher vorgegebenen Schwerpunkte mit ihren starren Fachkombinationen aufgehoben werden. Das ermöglicht eine größere Wahlfreiheit für die Schülerinnen und Schüler.

Deshalb bleibt Niedersachsen auch in Zukunft bei fünf Prüfungsfächern: Aufgrund der KMK-Vorgaben wären bei vier Prüfungsfächern zahlreiche Fachkombinationen ausgeschlossen und eine interessengeleitete Wahl der Schülerinnen und Schüler nur in geringem Maße möglich. Andernfalls könnten beispielsweise nicht zwei Naturwissenschaften oder zwei Fremdsprachen als Prüfungsfächer gewählt werden.

Stärkung der mündlichen Prüfung: Auch in Zukunft sollen die Prüfungen in den drei Leistungskursen (P1 bis P3) schriftlich abgelegt werden. Ändern soll sich, dass in den beiden Prüfungsfächern auf grundlegendem Anforderungsniveau (P4 und P5) das Abitur in Form einer mündlichen Prüfung abgelegt wird. Damit würde im Abitur und im Unterricht ein stärkerer Fokus auf Kommunikation und Interaktion gelegt werden. Prüflinge würden somit angemessener auf die veränderten Anforderungen im Studium und Beruf vorbereitet werden.

Modernes Abitur - Neue Prüfungsformate: Ergänzend zu den bewährten Formaten der Leistungsmessung will Niedersachsen ein neues Prüfungsformat einführen. Bei dem sogenannten „Kombinierten Leistungsnachweis“ werden produktive mit reflexiven Teilen kombiniert. Mögliche Elemente könnten zum Beispiel die Erstellung eines Podcast, eine Ausstellungskonzeption, eine Podiumsdiskussion oder auch eine schriftliche Ausarbeitung zu einem Fachthema sein. Dabei sollen die Prüflinge auch über den Entstehungsprozess reflektieren und ihre Entscheidungen begründen können. Hier soll auch kollaboratives Arbeiten ermöglicht werden.

Facharbeit entfällt, Freiräume bei den Angeboten der Grundkurse: Durch künstliche Intelligenz und weitere technische und gesellschaftliche Entwicklungen entsteht die Notwendigkeit, die Prüfungs- und Lernkultur auf die neuen Gegebenheiten anzupassen. Mit dem „Kombinierten Leistungsnachweis“ wird dieser Anforderung künftig Rechnung getragen und die Arbeit an den Schulen aufgegriffen. Da das neue Format zahlreiche Aspekte aufgreift, die bislang in der Facharbeit und im Seminarfach verankert waren, sollen diese zukünftig entfallen.

Allerdings wird die neue Verordnung in den Grundkursen zahlreiche Möglichkeiten bieten, Arbeitsweisen und Themen, die im Seminarfach eine Rolle spielen, anzuwenden und zu vertiefen. Denkbar wären zum Beispiel Kurse, die ausgehend von einem schulischen Referenzfach einen deutlichen Schwerpunkt setzen (zum Beispiel „Astrophysik“) oder die fächerverbindend arbeiten (zum Beispiel „Biochemie“).

Entlastung von Lehrkräften und Schülern: Damit sich die angehenden Abiturientinnen und Abiturienten konzentriert auf die Prüfungen vorbereiten können, soll das vierte Schulhalbjahr weitestgehend von Klausuren freigehalten werden. Die Anzahl der Klausuren insbesondere in den Kursen, die Schülerinnen und Schüler nur zur Abdeckung der Belegverpflichtung besuchen, soll reduziert werden, um damit zur Entlastung der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler beizutragen. Selbstredend bleiben Klausuren grundsätzlich – insbesondere in den Prüfungskursen und in den Kernfächern sowie als Abiturvorbereitung – wichtiger Teil der Qualifikationsphase.

Berufliche Gymnasien: Für die beruflichen Gymnasien tagt derzeit eine eigene Arbeitsgruppe, um die besonderen Anforderungen in den beruflichen Gymnasien mit Blick auf die Oberstufenverordnung, aber auch auf die Profilierung dieser Schulform weiterzudenken.

Reform soll 2027 greifen


Geplant ist, dass die entsprechenden Verordnungen voraussichtlich Mitte 2025 in das Anhörungsverfahren gehen. Die Reform muss zum Schuljahr 2027/2028 in Kraft treten - beginnend mit der Einführungsphase.


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