Neue Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte der Schloßstraße


Blick in den Nordteil der Schloßtraße mit der abgesperrten Grabungsstelle vor Haus-Nr. 1 vom Dezember 2018. Im Hintergrund der Damm. Die niedrigen Fachwerkhäuser vorn links und rechts könnten noch zur Erstbebauung der Schlossstraße gehören. Fotos: Th. Budde
Blick in den Nordteil der Schloßtraße mit der abgesperrten Grabungsstelle vor Haus-Nr. 1 vom Dezember 2018. Im Hintergrund der Damm. Die niedrigen Fachwerkhäuser vorn links und rechts könnten noch zur Erstbebauung der Schlossstraße gehören. Fotos: Th. Budde

Peine. Im Nordwesten der Peiner Altstadt liegen mit dem Damm, der Neustadt und Kniepenburg immer noch Viertel mit weitgehend unklarer Entstehungsgeschichte. Nie hat es hier systematische Ausgrabungen gegeben. Urkundliche Erwähnungen und die wenigen bisher aufgenommenen Funde setzen erst im 14. Jahrhundert ein. Thomas Budde berichtet nun über neue Ergebnisse der Peiner Stadtkernarchäologie.


Der mittelalterliche Begriff „Damm“ bezeichnet eine Erdanschüttung in zuvor feuchtem Gebiet – hier der Ostrand der Fuhseniederung - , die erst nachträglich durch einen oder mehrere Wege erschlossen und besiedelt worden ist, so beispielsweise auch in Hildesheim und Braunschweig. Ein mehr oder weniger großer zeitlicher Abstand zur Anlegung der Peiner Altstadt (1217/18) ist anzunehmen, doch kennen wir den Zeitpunkt nicht.

<a href= Die Grabungsstelle in der Reparaturgrube vom Dezember 2018. Ganz unten schimmern die im Profil quer angeschnittenen Rundhölzer des Bohlenwegsbeziehungsweise Knüppeldammes aus der Zeit um 1600 hervor. Die Schichten darüber sind durch jüngere Erdarbeiten gestört.">
Die Grabungsstelle in der Reparaturgrube vom Dezember 2018. Ganz unten schimmern die im Profil quer angeschnittenen Rundhölzer des Bohlenwegsbeziehungsweise Knüppeldammes aus der Zeit um 1600 hervor. Die Schichten darüber sind durch jüngere Erdarbeiten gestört. Foto:



Die ehemals zur Neustadt gehörige Schloßstraße ist als nördlich vom Damm abzweigender Weg nochmals ein Sonderfall. Dabei gab es schon einmal eine große Chance zur Klärung: Im Jahr 1974 wurde bei der Anlegung eines Regenwasserkanals im nördlichen Abschnitt der Straße in 1,70Meter Tiefe ein Bohlenwegbeziehungsweise Knüppeldamm aus Erlen-Rundhölzern auf 40 Metern Länge durch den früheren Kreisbodendenkmalpfleger Fritz Rehbein entdeckt und freigelegt. Eine Radiokarbondatierung der Hölzer ergab einen Datierungsspielraum von 1520 bis 1660, also überraschend spät. Doch können Wegoberflächen auch erneuert worden sein, und Funde wurden damals nicht geborgen.

Über Jahrzehnte tat sich dann nichts. Im Jahr 2013 führte schließlich der Verfasser Untersuchungen bei der Verlegung einer Druckwasserrohrleitung unter der Vöhrumer Straße auf Höhe des ehemaligen Vorwerks und späteren Gaststätte Eulenburg vor Telgte durch, bei denen in 1,60Meter Tiefeein im Moor der Fuhseniederung verlegter Bohlenweg der Heerstraße nach Hannover („Hannoversche Heerstraße“) erstmals nachgewiesen werden konnte. Zugehörig war eine Pfostenkonstruktion einer Zugbrücke auf Höhe der Eulenburg, die dendrochronologisch auf die Zeit 1634 (plus minuszehn Jahre) datiert werden konnte. In der Schicht über dem Bohlenweg lagerten Funde aus dem 16. bis 17. Jahrhundert. Da die Heerstraße Peine über die Schloßstraße und das Schloßtor verließ, konnte dies in Zusammenhang mit der groben Radiokarbondatierng von 1974 als indirekter Hinweis auch auf das Alter der Schloßstraße gewertet werden. Jedenfalls wurde hier erstmals deutlich, dass Schloßtor und Hannoversche Heerstraße nicht zu den ursprünglichen mittelalterliche Stadtausgängen Peines gehörten. Wer nach Hannover wollte, musste die Stadt vielmehr ursprünglich über das Dammtor auf der Hildesheimer Heerstraße über die Horst verlassen.

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Freigelegter Leitungsgraben der Stadtwerke vor Haus-Nr. 17 mit erhaltener dunkler Kulturschicht, die zur Erstbebauung der Schloßstraße gehört und Keramikscherben aus den 17. Bis 18. enthielt. Foto:



Entscheidende Erkenntnisse über die Schloßstraße selbst konnten nun jüngst im Dezember 2018 und im laufenden Jahr durch den Verfasser bei der archäologischen Begleitung von Leitungsverlegungen der Stadtwerke gewonnen werden. Zunächst wurde in einer nur einen Meter breiten Wasserleitungs-Reparaturgrube vor Haus-Nr. 1, am Südrand der Schloßstraße, in 1,55 bis 1,70Meter Tiefe, direkt über dem Grundwasserspiegel, eine dicke Lage aus quer verlegen Hölzern mit eingebetteten Steinen entdeckt. Zweifellos handelt es sich um den 1974 im Nordteil der Straße in gleicher Tiefe nachgewiesenen Knüppeldamm/Bohlenweg. Es wurde deutlich, dass dies tatsächlich der erste angelegte Weg der Schloßstraße gewesen sein muss. Eine in den Weg eingebettete Randscherbe einer unglasierten Topfkachel (Ofenkachel), die für das 16. bis frühe 17. Jh. typisch ist, lieferte schließlich auch den ersehnten Datierungshinweis. Es kann somit als sicher gelten, dass die Schloßstraße tatsächlich erst im 16./17. Jh. entstanden ist.

<a href= Abgesperrte Baustelle der Stadtwerke vor den Häusern Schloßstraße 16 bis 18 im Februar 2019. Das niedrige Haus Nr. 16 könnte noch zur Erstbebauung der Schlossstraße aus dem 17. bis 18. Jh. gehören.">
Abgesperrte Baustelle der Stadtwerke vor den Häusern Schloßstraße 16 bis 18 im Februar 2019. Das niedrige Haus Nr. 16 könnte noch zur Erstbebauung der Schlossstraße aus dem 17. bis 18. Jh. gehören. Foto:



Aber damit nicht genug: Im Februar 2019 öffneten die Stadtwerke unter dem östlichen Bürgersteig auf lange Stecke einen weiteren Leitungsgraben. Hierbei konnte vor den Häusern Nr. 17 und 18 in 0,70 bis 1,20Meter Tiefe die zur Schloßstraße gehörige dunkle Kulturschicht der ersten Besiedlung erfasst werden. Sie enthielt zwei glasierte Keramikscherben, die in das 17. bis 18. Jahrhundert datieren. Wir können folglich resümieren. Die Schloßstraße muss grob in der Zeit um 1600, wohl noch im 16. Jh., als Ausfallstraße in Richtung Hannover auf moorigem Untergrund angelegt und nach einer Geländeanschüttung im 17./18. Jahrhundert für die Bebauung worden sein . Manche der kleinen, meist verkleideten Fachwerkhäuser dort könnten tatsächlich noch zur Erstbebauung gehören, so zum Beispiel das Gebäude Haus-Nr. 16.

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