Pflegekammer gescheitert: Die Auflösung wird eingeleitet

Bei einer Abstimmung über die Zukunft der Pflegekräfte-Vertretung stimmte nicht einmal ein Viertel ab. Davon sprachen sich über 70 Prozent gegen einen Fortbestand aus.

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Symbolbild: Pixabay | Foto: Pixabay

Hannover. Insgesamt 15.100 von rund 78.000 befragten Mitgliedern der Pflegekammer Niedersachsen haben an der Abstimmung über die Zukunft der Kammer teilgenommen. Von ihnen stimmten 70,6 Prozent gegen den Fortbestand der Kammer, 22,6 Prozent dafür, 6,8 Prozent enthielten sich. Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 29. Juli bis zum 6. September 2020. Das berichtet die Niedersächsische Landesregierung in einer Pressemeldung.


„Dieses Ergebnis ist eindeutig", so Sozialministerin Dr. Carola Reimann. „Die Pflegekammer ist damit ganz offensichtlich nicht die Form von Vertretung, die sich die Pflegekräfte in Niedersachsen wünschen. Angesichts der kontroversen politischen Debatten im Vorfeld und auch noch während der Befragung hatten wir eine höhere Beteiligung erwartet."

"Ergebnis ist politisch bindend"


Die Ministerin weiter: „Wir haben aber immer gesagt, dass das Ergebnis dieser Befragung für uns als Landesregierung politisch bindend ist. Deshalb werden wir auf Grundlage dieser sehr deutlichen Zahlen nun unverzüglich die Auflösung der Pflegekammer einleiten. Mit der Erstellung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs hat mein Haus bereits begonnen." Im Zuge der Abwicklung der Kammer werde auch die Rückzahlung der in den Jahren 2018 und 2019 geleisteten Mitgliedsbeiträge erfolgen, so Reimann: „Auch dies soll so schnell wie möglich passieren."

Über die Gründe für das Scheitern der Kammer könne man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren, so die Ministerin. Klar sei aber, dass es der Kammer nicht gelungen sei, sich in den Augen ihrer Mitglieder zu einem unverzichtbaren Sprachrohr der Belange der Pflege zu machen. Dies zeige sich auch an der vergleichsweise geringen Beteiligung an der Umfrage.

Schulterschluss für das gemeinsame Ziel


Mit Blick auf die Zukunft der Pflege in Niedersachsen, erklärt Ministerin Reimann: „Ich wünsche mir für die Pflegekräfte in Niedersachsen, dass es ihnen gelingt sich auch ohne eine Pflegekammer ausreichend zu Wort zu melden. Als Ministerium werden wir alles uns mögliche dafür tun, dass Pflegekräften auch in Zukunft Gehör geschenkt wird, mehr als das in der Vergangenheit der Fall war. Und ich fordere alle auf, die sich im Streit um die Pflegekammer überworfen haben, nun wieder zusammenzurücken und im Schulterschluss für das gemeinsame Ziel einzutreten: die Situation in der Pflege zu verbessern!"

Das Thema Pflege bleibe weit oben auf der Agenda dieser Landesregierung, so die Ministerin. „Daran ändert auch die Entscheidung über die Kammer nichts. Ich werde auch weiterhin mit voller Kraft daran arbeiten, für die Beschäftigten in diesem Bereich ganz konkrete Verbesserungen zu erzielen. Mit der Konzertierten Aktion Pflege haben wir dazu einen wichtigen Anfang gemacht und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen."

AWO: "Auflösung der Pflegekammer ist konsequenter und richtiger Schritt"


„Die Auflösung der Pflegekammer ist der konsequente und richtige Schritt“, sagt Rifat Fersahoglu-Weber, Vorstandsvorsitzender des AWO-Bezirksverbands Braunschweig e. V., und lobt das konsequente Handeln von Sozialministerin Dr. Carola Reimann, die hier ein schweres Erbe zu verwalten gehabt habe. „Die Kammer war nie wirklich gewollt und hat sich auch nicht zum notwenigen Sprachrohr für die Pflegenden entwickelt“, macht Fersahoglu-Weber deutlich. „Die Pflege und die Mitarbeitenden in der Pflege müssen jetzt endlich konsequent gestärkt werden. Es bedarf vor allem mehr Personal und mehr Zeit am zu pflegenden Menschen. Die 6 Millionen Euro, die bisher von Seiten des Landes in die Pflegekammer geflossen sind, müssen zur Förderung innovativer Ansätze, nachhaltiger Systeme und der unterstützenden Digitalisierung aufgewendet werden und dürfen der Pflege nicht wieder entzogen werden“, verdeutlicht Fersahoglu-Weber.

Die Linke: "Pflegekräfte wehren sich erfolgreich gegen Zwangskammer"


"Die Pflegekräfte in Niedersachsen haben ihre Bevormundung durch die Landesregierung erfolgreich bekämpft", kommentiert Pia Zimmermann, Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Helmstedt-Wolfsburg und Sprecherin für Pflegepolitik der Bundestagsfraktion Die Linke, die Ergebnisse der Befragung der Pflegekräfte zur Zukunft der Pflegekammer in Niedersachsen. "Nun ist es an Sozialministerin Carola Reimann nicht nur die Auflösung der Pflegekammer umzusetzen, sondern auch die Forderungen der Pflegekräfte nach Guter Pflege endlich ernst zu nehmen. Die Pflegekräfte haben mit ihrer Kritik und ihrem Protest seit über einem Jahr bewiesen, dass sie sich nicht in einer scheinbaren Selbstverwaltung einhegen lassen, sondern weiter rebellisch für gute Bedingungen kämpfen - für Pflegekräfte genauso wie für Patientinnen und Patienten und für Menschen mit Pflegebedarf. Nun darf sich auch die Landesregierung nicht länger hinter diesen Debatten verstecken und die Selbstverwaltung vorschieben. Sie muss aktiv werden: Gute Pflege ist ein Menschenrecht."

CDU: Auflösung der Pflegekammer überfällig


„Die Auflösung der Pflegekammer ist überfällig und nach dem eindeutigen Ergebnis der Umfrage nur folgerichtig. Die bereits gezahlten Beiträge sind den Pflegerinnen und Pflegern umgehend zurückzuzahlen. Das klare Votum einerseits und die geringe Wahlbeteiligung andererseits sind eine ganz klare Positionierung gegen den vom Sozialministerium gepflegten Umgangsstil", erklärt der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller. Schon mit Beginn der Diskussion um die Einrichtung einer Pflegekammer habe er sich gegen das von der rot-grünen Vorgängerregierung in Niedersachsen beschlossene Kammersystem ausgesprochen. Überflüssige Bürokratie sowie die zusätzlichen Kammerkosten würden den Pflegekräften in keiner Weise helfen. "Alle Ressourcen sollten sich nun gezielt auf die notwendige Unterstützung der Pflegerinnen und Pfleger konzentrieren“, so Müller.


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