Braunschweig/Hannover. Die Landesregierung plant die Zusammenlegung der Abteilungen „Frauen und Gleichstellung“ mit „Jugend und Familie“ im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Dies sorgt für Empörung bei den Gleichstellungsbeauftragten. So wird es am heutigen Mittwochvormittag eine Protestaktion vor dem Niedersächsischen Landtag geben. Daran beteiligen sich auch Vertreter aus unserer Region, wie Marion Lenz, Kommunale Gleichstellungsbeauftragte aus Braunschweig mitteilt. Sie kritisiert die geplante Umstrukturierung aufs Schärfste.
Im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung soll die Abteilung 2 `Frauen und Gleichstellung ́ mit der Abteilung 3 `Jugend und Familie ́ zusammengelegt werden. Dies scheint zwar erst einmal nur eine arbeitsorganisatorische Maßnahme zu sein, doch es habe deutliche Auswirkungen, so heißt es in einer Erklärung der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbüros Niedersachsen, der unter anderem die Braunschweiger Gleichstellungsbeauftragte Marion Lenz vorsteht.
"Abgesehen davon, dass Gleichstellung als Querschnittsthema alle Politikbereiche angeht und damit die Ansiedlung im Sozialministerium fachlich bereits zu kurz greift, entscheiden personelle und finanzielle Ressourcen über den Handlungsspielraum verantwortlicher Beauftragter, Ministerien oder Referate in der jeweiligen Regierungsarbeit – Gute Ausstattung ist die Grundlage für eine hohe Wirksamkeit!", so die Gleichstellungsbeauftragten.
Zu wenig Ressourcen
Eine solche Umorganisation schränke die Sichtbarkeit der Frauen- und Gleichstellungspolitik in Niedersachsen deutlich ein. Der Appell an dieser Stelle laute deswegen: "Frauen- und Gleichstellungspolitik ist ein Verfassungsauftrag." Es werfe die Frage auf, ob die Argumentation "eine Zusammenlegung wäre notwendig und sinnvoll, weil die Abteilung zu klein ist" wirklich greift, oder ob bei einer ernsthaften Verfolgung des Verfassungsauftrages nicht vielmehr die personelle Ausstattung erweitert werden müsse.
Abteilungen zusammenzulegen, die jeweils zu wenig Personal haben, führe nach der Erfahrung aus der Praxis heraus dazu, dass die dringlichen Pflichtaufgaben vor allem im Jugendbereich langfristig die Gleichstellungsarbeit in den Hintergrund drängen werden. Auch wenn die Absichten im Ministerium erst einmal andere seien: Wichtige Aufgaben müssten über Ressourcen abgesichert werden. Sonst bleibe es bei einer Bekenntnispolitik, auf die Frauen als Wählerinnen gut verzichten können, so heißt es in der Erklärung weiter.
Dringender Handlungsbedarf
Während der Pandemie sei ein Rückfall in alte Rollenmuster eingetreten. Für die Kinderbetreuung seien nach wie vor zuerst die Mütter zuständig, wie auch für den Haushalt oder die Versorgung von Pflegebedürftigen. Alle Gleichstellungsberichte würden belegen, dass hier noch viel zu tun sei und der Verfassungsauftrag bislang nicht zielgerichtet umgesetzt wurde.
Angesichts der geplanten Veränderungen stelle sich die Frage, wie ernst es der Landesregierung damit ist. "Wir sehen einen dringenden Handlungsbedarf für eine explizit geschlechtergerechte Gestaltung von Politik – dass es zu wenig Haushaltsmittel gibt, ist eine übliche Argumentation: Denn Relevanz wird über Ausstattung geregelt!", so die Gleichstellungsbeauftragten.
"Wir erwarten, dass Frauen- und Gleichstellungspolitik in Niedersachsen statt sich in Richtung einer Bekenntnispolitik zu einer Politik der Taten entwickelt. Themen wie Gewalt gegen Frauen oder die Krise in der Pflege und Kinderbetreuung liegen nicht allein in der Verantwortung von Frauen, sondern sind gesamtgesellschaftlich relevante Aufgaben."
Landesregierung soll Auftrag erfüllen
Der Fachkräftemangel verstärke hier die Probleme doppelt: Zum einen fehlten Fachkräfte in den Care-Bereichen, zum anderen fehlten Frauen als Fachkräfte in der Gesamtwirtschaft, da deren Kinder nicht verlässlich und ausreichend betreut werden. Die Erfahrung zeige: Nicht die Väter gingen verstärkt in Teilzeit und blieben zuhause, sondern immer noch vorwiegend die Mütter- mit allen negativen Konsequenzen für die eigene Absicherung.
"Wir erwarten von einem Ministerpräsidenten und einem Gleichstellungsminister ein klares Statement, das aufzeigt, dass ihnen der Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes und der Niedersächsischen Verfassung von hoher Relevanz sind und ihre entschiedene Unterstützung erhalten", so heißt es in der Erklärung abschließend.
Protestaktion
Am heutigen Mittwoch, gegen 9: 30 Uhr, wird es eine Protestaktion vor dem Landtag in Hannover geben. Geplant ist eine Kranzniederlegung als Symbol für den Untergang der Gleichstellung sowie die Übergabe eines Kondolenzbuches an den Ministerpräsidenten. Die Gleichstellungsbeauftragten werden in schwarzer Kleidung erscheinen.
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