Moskau. Die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina sieht nach der Teilmobilisierung einen Stimmungsumschwung in der russischen Gesellschaft. "Die Propaganda verliert an Effizienz", sagte sie der Wochenzeitung "Die Zeit".
Einerseits hörten die Menschen auf, "den Lügen zu glauben", andererseits seien viele nicht bereit hinzunehmen, dass ihr eigener Sohn "umgebracht oder zum Mörder gemacht" werden solle. Gannuschkina zählt zu den Gründern der Vereinigung "Ziviler Beistand" und des Rechtszentrums der inzwischen verbotenen Organisation "Memorial". 2016 wurde ihr der Alternative Nobelpreis verliehen. Die Menschenrechtlerin zog einen Vergleich zu den Tschetschenien-Kriegen, in die ebenfalls viele junge, schlecht ausgestattete Soldaten geschickt wurden.
Russische Mütter hätten ihre Söhne damals verteidigt und heimgeholt. Als nun wieder junge russische Männer in die Ukraine geschickt wurden, habe es eine solche Bewegung zunächst nicht gegeben. "Mütter glaubten, dass ihre Kinder in den Kampf gegen den Faschismus ziehen, dass sie dort ihre Brüder verteidigen." Nun aber seien die russischen Mütter "aufgewacht".
Zudem widersprach Gannuschkina dem Eindruck, die russische Gesellschaft habe dem Krieg in der Ukraine bislang komplett gleichgültig gegenübergestanden. Nach dem Überfall seien Menschen mit Plakaten auf die Straße gegangen. "Es gab von Beginn an eine Protestbewegung, es gab viele Erklärungen von NGOs. Dann haben sich Ehrenamtliche organisiert. Diese Ehrenamtlichen haben sehr gut strukturierte Netzwerke gebildet."
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