Brüssel. Mehrere EU-Institutionen und 13 EU-Mitgliedsstaaten beanstanden die Art und Weise, wie das am 16. Juli unterzeichnete Abkommen zwischen Tunesien und der EU-Kommission zustande gekommen ist. Auch daran, dass die Lage der Menschenrechte in Tunesien in der Vereinbarung kaum adressiert werde, gibt es Kritik, berichtet die Wochenzeitung "Die Zeit" unter Berufung auf vertrauliche Dokumente des Auswärtigen Amtes (AA).
So heißt es in einem internen Briefing des AA, dass die EU-Kommission den Rat der Europäischen Union übergangen habe. Vereinbart sei für Abkommen wie das infrage stehende "Memorandum of Understanding" (MoU) eine Unterrichtungsfrist von fünf Wochen. "Es ist nicht akzeptabel, wenn ein solches MoU unterzeichnet wird, ohne dass der Rat vorher seine Zustimmung gibt", heißt es in dem Dokument. Auch der Juristische Dienst des Rates, der Europäische Auswärtige Dienst und etliche Mitgliedsstaaten sehen das Vorgehen der Kommission kritisch.
Laut einer Niederschrift deutscher Diplomaten sprach ein Vertreter des Juristischen Dienstes in einem Meeting von einer "hochgradigen Respektlosigkeit". Der Juristische Dienst behalte sich gerichtliche Schritte vor. Laut den Dokumenten trugen deutsche Vertreter ihre Kritik am 19. Juli auch bei einem Treffen der Ratsarbeitsgruppe "Mashrek/Maghreb" vor und bezeichneten das Vorgehen der Kommission als "absolut inakzeptabel". Auch Frankreich, Österreich, Belgien, Griechenland und acht weitere Mitgliedsstaaten zeigten sich irritiert.
Das deutsche Außenministerium sieht die Einigung auch inhaltlich kritisch, weil die Zusammenarbeit mit Tunesien nicht an humanitäre Standards und das Völkerrecht geknüpft worden sei: Es sei "unverständlich, dass weder Demokratie noch Rechtsstaatlichkeit (...) Erwähnung finden", heißt es in einem der internen Dokumente. Die EU habe nur wenig erreicht, wichtig wäre es gewesen, die Lage der in Tunesien gestrandeten Flüchtlinge zu verbessern, zum Beispiel durch Zugang zu Aufenthaltstiteln. Die Vereinbarung zwischen der EU und Tunesien sieht unter anderem vor, dass Tunesien Menschen von der Flucht nach Europa abhält. Für Such- und Rettungsaktionen auf See und die Rückführung von Migranten will die EU-Kommission dem nordafrikanischen Land in diesem Jahr 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Insgesamt stellte die EU gut 900 Millionen Euro an Hilfsgeldern in Aussicht. Auf Nachfrage der "Zeit" an den Juristischen Dienst des Rates der Europäischen Union wollte eine Sprecherin den Vorgang nicht kommentieren. Die EU-Kommission antwortete auf eine Anfrage der Wochenzeitung zunächst nicht.
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