Shitstorm gegen Gabriel: Fleischkonzern Tönnies bezahlte ihm 10.000 Euro

Er selbst sah seine Tätigkeit offenbar nicht als Problem. Kritik kommt nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen.

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Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sigmar Gabriel. (Archivbild)
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sigmar Gabriel. (Archivbild) | Foto: Rudolf Karliczek

Goslar. Einst bezeichnete der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Machenschaften in der deutschen Fleischindustrie als "Schande für Deutschland", Recherchen des ARD-Magazins "Panorama" ergaben nun, dass der SPD-Politiker seit von März bis "mindestens" Ende Mai dieses Jahres auf der Gehaltsliste des Fleischkonzerns stand. Als Berater habe er ein Honorar von 10.000 Euro im Monat erhalten, und zusätzlich ein vierstelliges Honorar für jeden Reisetag.


Wegen eines massiven Corona-Ausbruchs im Gütersloher Werk von Tönnies steht der Konzern zurzeit massiv unter Druck. Gabriel hätte seine Tätigkeit als Berater für den Fleischkonzern Anfang März aufgenommen, um "seine weiten Kontakte zur Verfügung zu stellen und aktiv Projekte zu begleiten", wie "Panorama" unter Bezugnahme auf Unternehmensunterlagen berichtet. Firmenchef Clemens Tönnies soll sich demnach persönlich um die Personalie aus der Spitzenpolitik gekümmert haben. Besonderes Augenmerk habe hierbei dem chinesischen Markt gegolten. Zu Gabriels Aufgaben habe auch gehört, Verhandlungen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium und China zu führen, falls es dort zu einem Ausbruch der "Afrikanischen Schweinepest" komme.

Gabriels Sinneswandel zur Fleischindustrie


Die Beziehungen zum Fleischmogul Tönnies gehen offenbar auf das Jahr 2015 zurück. Nachdem er als damaliger Bundeswirtschaftsminister die Ausbeutung vorwiegend osteuropäischer Arbeiter und deren Wohn- und Arbeitsbedingungen als "Schande für Deutschland" bezeichnet hatte, wurde er von Clemens Tönnies persönlich durch das Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück geführt, woraufhin er seine Meinung zumindest im Bezug auf Tönnies drastisch änderte. Im Februar 2015 schrieb er auf Facebook: "Es ist gut, dass Tönnies in einer Branche, die immer auch mit schwarzen Schafen zu kämpfen hat, im positiven Sinne Standards setzt." Später im Jahr 2015 einigte sich Gabriel mit den größten deutschen Unternehmen der Fleischindustrie auf eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Standards. Demnach sollte die Zahl der Werkverträge reduziert und die Wohn- und Arbeitssituation verbessert werden. Dies sei jedoch, so die ARD, weitestgehend wirkungslos geblieben.

Im Jahr 2019 verteidigte Sigmar Gabriel Tönnies rassistische Aussagen über Afrikaner. "Der Spruch ist garantiert daneben gewesen. Den Schalke-Chef aber zum Rassisten zu machen, ist absoluter Quatsch", so Gabriel gegenüber der Westdeutsche Allgemeinen Zeitung (WAZ). Schon damals wurden Rücktrittsforderungen an Tönnies laut, der neben seiner unternehmerischen Tätigkeit auch Aufsichtsratsvorsitzender des Fußballvereins FC Schalke 04 war. Nun, elf Monate später, trat er aufgrund der Corona-Lage in seinem Betrieb als Vorsitzender des Fußballclubs zurück.

Beratertätigkeit wegen Erkrankung vorzeitig beendet


Der Beratervertrag für Tönnies sei ursprünglich auf zwei Jahre angelegt gewesen. Auf "Panorama"-Anfrage habe Gabriel geäußert, dass er seine Tätigkeit aufgrund einer schwierigen Erkrankung und der deswegen notwendigen Operationen zum 31. Mai habe beenden müssen. Gabriel habe betont, dass er die Anfrage des ARD-Magazins "aufgrund des öffentlichen Interesses im vorliegenden Fall und auch aufgrund der Tatsache, dass weder ich noch meine Geschäftspartner die frühere Beratungstätigkeit für die Firma Tönnies als problematisch ansehen", beantwortet habe.

Es hagelt Kritik


Gabriel gehört seit vergangenem Jahr nicht mehr dem deutschen Bundestag an. Somit hat Gabriel rechtlich korrekt gehandelt, seine privatwirtschaftliche Tätigkeit nicht öffentlich zu machen. Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans stellen in einem Statement gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) jedoch auch die Frage der Moral: "Für jeden aufrechten Sozialdemokraten ergibt sich aus unseren Grundwerten, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält." Spöttisch äußerte sich der Wolfenbütteler Linken-Abgeordnete Victor Perli auf Twitter: "Sigmar Gabriel riet seiner Partei: 'Wir müssen raus ins Leben; wo es laut ist; da, wo es brodelt; da, wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt.' Er hat es beherzigt - und wurde Berater für die Deutsche Bank und für Tönnies Schweinesystem."


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