Sickte. In der Hoffnung, den Mord an der damals 12-jährigen Heike Wiatrowski aus Sickte auch nach fast 47 Jahren aufzuklären, wandten sich die Ermittler der Cold Cases-Gruppe der Polizeiinspektion Braunschweig am Mittwochabend in der Sendung "Aktenzeichen XY... Ungelöst" noch einmal an die Bevölkerung. Erste Hinweise seien bereits eingegangen, berichtet die Polizei auf Nachfrage von regionalHeute.de.
"Wir glauben, dass es auch jetzt, fast 47 Jahre nach der Tat, noch Zeugen geben könnte, die Angaben machen können. Vielleicht andere Angaben, als sie 1977 gemacht haben, oder die bisher nicht wissen wollten oder sich auch gar nicht vorstellen könnten, dass ihre Feststellung die sie gemacht haben für die Tat relevant sind. Diese Menschen wollen wir heute auffordern sich bei der Polizei zu melden", erklärte Nicole Nebendahl, Leiterin der Ermittlungsgruppe Cold Cases, eingangs.
Führt eine Schallplatte zum Täter?
Zunächst wurden am Mittwochabend die Ereignisse des 18. Februar 1977 in einem Filmbeitrag nachgestellt. Anschließend stellte Nebendahl im Gespräch mit Moderator Rudi Cerne noch einmal alle Fakten vor. Hierbei blieben auch wichtige Beweismittel, die man seinerzeit am Tatort sichergestellt hatte, nicht unerwähnt. So seien verschiedene Dinge gefunden worden, die man mit der Tat im Zusammenhang sieht, so Nebendahl. Unter anderem wurden ein Ring und ein blauer Untersetzer mit Katzenmotiv (zirka 6 bis 8 Zentimeter groß) gefunden. Außerdem spiele eine Langspielplatte eine vielleicht wichtige Rolle. Die Platte mit dem Titel "Hammond And Lowrey For Dancing" sei kurz nach der Ermordung der 12-Jährigen von deren Eltern auf dem Plattenspieler gefunden worden. Aus den Ermittlungen wisse man, dass Heike diese Art von Musik nicht gehört hat. Daher möchten die Ermittler wissen, ob jemand eine Person aus Sickte, der Umgebung oder dem näheren Umfeld von Heike Wiatrowski kennt, die diese Musik gehört hat.
Mord war wahrscheinliche eine Spontantat
Auch, dass der Täter aus dem näheren Umfeld der Ermordeten kommt, sei sehr wahrscheinlich. Es sei auch möglich, dass sich Heike sogar mit ihrem Mörder verabredet hatte, so Nebendahl. Der Täter könnte irgendein Anliegen gehabt haben, um das Opfer aufzusuchen. Sehr wahrscheinlich wusste er auch, dass das Mädchen freitags häufig alleine war. Die Ermittler vermuten, dass es sich bei dem Täter entweder um einen Jugendlichen, der etwa gleich alt oder leicht älter gewesen ist, oder um einen pädophilen Erwachsenen handelt. Weiter gehe man davon aus, dass der Mord an der 12-Jährigen spontan erfolgte. "Im Vorfeld der Tat wird sich der Täter wahrscheinlich nicht gedacht haben, dass die Tat so ablief, wie sie dann abgelaufen ist. Es gibt keine Planungselemente dafür. Es kamen letztlich zur Gewalt-Eskalation vor Ort aus Gründen, die wir nicht kennen und zur Übertötung des Mädchens", so Nebendahl.
Der Mord an Heike Wiatrowski sei äußerst brutal abgelaufen. Der Körper des Mädchens wies zahlreiche Schnitt- und Stichverletzungen sowie massive Verletzungen durch stumpfe Gewalt auf. Im gesamten Haus wurden große Mengen Blut gefunden. Daher sei davon auszugehen, dass die Kleidung des Täters blutverschmiert war. "Es könnte aufgefallen sein, dass Kleidung zu ungewöhnlicher Zeit gewechselt wurde oder sogar entsorgt worden ist. Der Täter könnte sich auch möglicherweise bei der Tat selbst verletzt haben und dann Pflaster oder Verbände an den Händen getragen haben, die jemandem aufgefallen sind und für die ist keinen Grund gab", so Nebendahl.
Wahrscheinlich sei auch, dass der Täter nach seiner Tat eine emotionale Erschütterung erfahren hat und sich dadurch sein Verhalten geändert hat. Es kann sein, dass sich sein Kommunikationsverhalten verändert hat, er einsilbig geworden ist, Nervosität gezeigt hat, oder sich vielleicht ganz von seinen sozialen Kontakten zurückgezogen hat.
DNA gefunden
Vor einem Jahr hatte die Ermittlungsgruppe Cold Cases der Polizeiinspektion Braunschweig die Ermittlungen wieder aufgenommen - unter anderem mit der Hoffnung, mit den technischen Möglichkeiten von heute neue Spuren zu finden. Und dies ist jetzt offenbar gelungen, wie Nebendahl in der Sendung erklärte. Dem LKA Niedersachsen sei es in einem erstmals durchgeführten Analyseverfahren gelungen, unter alten Fingerabdrucksspurenkarten Hautzellen zu sichern und damit eine Teil-DNA einer männlichen Person herzustellen.
Hörte ein Nachbarsjunge den Mörder?
Aus dem Filmbeitrag am Mittwochabend wurde auch deutlich, dass es nach dem Mord bereits einen Verdächtigen gab. Ein damals 11-jähriger Nachbarsjunge will am Tattag eine ihm bekannte Stimme aus dem Wohnhaus der Familie vernommen haben. Es soll der Satz "Ich höre jetzt auf" gefallen sein. Das bestätigt die Polizei auch auf Nachfrage von regionalHeute.de am heutigen Donnerstag noch einmal. "Es ist richtig, dass es im Zuge der damaligen Ermittlungen einen Tatverdächtigen gab. Bis heute hat sich nichts daran geändert, dass es keinerlei Beweise gibt, die den Verdacht bestätigen", so Polizeisprecher Lars Dehnert.
Nach der Ausstrahlung am Mittwoch seien bereits Hinweise im mittleren zweistelligen Bereich eingegangen. "Noch während der Ausstrahlung gestern Abend haben die ermittelnden Beamten begonnen, Hinweise über die geschalteten Rufnummern aufzunehmen. Insgesamt sind die Ermittler mit der Aufbereitung des Beitrages und der anschließenden Resonanz sehr zufrieden", so Dehnert weiter. Die Hinweise werden jetzt gesammelt, ausgewertet und anschließend bewertet. Über den Wertgehalt könne momentan jedoch noch nichts sagen.
Belohnung erhöht
Durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig wurde für Hinweise, die zur rechtskräftigen Verurteilung des Täters führen, eine Belohnung in Höhe von 5.000 Euro ausgelobt. Noch während der Sendung wurde bekanntgegeben, dass ein Zuschauer die Belohnung erhöht hat. Auch das bestätigt Dehnert auf Nachfrage. "Um wieviel genau, werden Gespräche erst in den nächsten Tagen ergeben."
Auch bei einem zurückliegenden Aktenzeichen-Fall aus Braunschweig wurde während der Sendung die Belohnung durch eine Privatperson erhöht. Laut Dehnert handelt es sich bei dem Zuschauer von gestern nicht um den gleichen Spender, wie im zurückliegenden XY-Fall. "Dieser TV-Zuschauer hat keinerlei Bezug zur Tat oder der hiesigen Region. Er war einfach bewegt vom Schicksal der Heike Wiatrowski und ihrer Familie."
mehr News aus der Region