Siebeneinhalb Jahre Haft für Todesschützen

Damit blieb die Strafkammer nur knapp unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten achtjährigen Haftstrafe.

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In Saal 141 des Braunschweiger Schwurgerichts fiel am Montag das Urteil im Prozess gegen den Todesschützen von Braunlage. Der 28-jährige Angeklagte muss für sieben Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Foto: Anke Donner
In Saal 141 des Braunschweiger Schwurgerichts fiel am Montag das Urteil im Prozess gegen den Todesschützen von Braunlage. Der 28-jährige Angeklagte muss für sieben Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Foto: Anke Donner

Braunlage/Braunschweig. Vor der großen Strafkammer am Braunschweiger Landgericht fiel am Montag das Urteil gegen den Todesschützen aus Braunlage. Der 28-Jährige aus Blankenburg muss nun wegen Totschlags und Verstosses gegen das Waffengesetz für siebeneinhalb Jahre hinter Gitter.


Damit blieb die Strafkammer nur knapp unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten achtjährigen Haftstrafe. Dem 28-jährigen Mann wurde zur Last gelegt, in der Nacht zum 23. November des vergangenen Jahres einen 31-jährigen Mann aus Seesen nach einer Auseinandersetzung im Lokal „Brokers Bar“ in Braunlage mit zwei Schüssen in den Hals- und Brustbereich niedergestreckt zu haben (RegionalGoslar.de berichtete). Das Opfer erlag einen Tag später seinen schweren Schussverletzungen.

Nach dem Richterspruch war dem Beschuldigten nicht anzusehen, wie er die Urteilsverkündung aufnahm. Sein Blick haftete auf dem vorsitzenden Richter Dr. Ralf-Michael Polomski, der das Urteil und die Begründung verlas. Tränen flossen bei den Angehörigen des Täters während der Urteilsverkündung und bei den Angehörigen des Opfers, als die Geschehnisse der Nacht auf den 23. November noch einmal geschildert wurden. Am Ende der Verhandlung wurde der 28-Jährige in Handschellen abgeführt. Nur ein letzter Kontakt zu den Angehörigen wurde ihm gestattet. Vor dem Gerichtsgebäude gab es weitere Tränen, als die Familie des Opfers mit den Anwälten zusammenkam.

Keine Notwehr


Eine Handlung in Notwehr, so Polomski in seiner Urteilsverkündung, sehe die Kammer als nicht erwiesen an. Dagegen spräche beispielsweise das Verhalten des Angeklagten kurz nach der Tat. Hätte er in Notwehr gehandelt, hätte er sich kurz nach der Tat jemandem anvertraut. Doch der Angeklagte schwieg und kümmerte sich auch nach der Tat nicht darum, was mit dem Opfer passierte und entfernte sich vom Ort des Geschehens. Auch die Tatsache, dass er mit dem späteren Opfer in eine abgelegenere Ecke ging, um keine Zeugen zu haben und er die Waffe, eine Beretta 9 Millimeter, hinter einem Müllcontainer versteckte, gegen die Notwehr-Theorie.

Vor allem aber, so Polomski in seiner mehr als eineinhalbstündigen Urteilsverkündung, sei es ausgeschlossen, dass der Angeklagte, wie er es schilderte, nach einem Schubser des Opfers zu Boden ging und noch im Fallen und unter erheblichem Alkoholeinfluss in der Lage war, die Waffe aus seiner Tasche zu ziehen. Diese, so ist die Kammer überzeugt, hatte der Täter bereits gezogen, bevor er zu Fall kam. Wahrscheinlich schon zu dem Zeitpunkt, als er gemeinsam mit dem späteren Opfer den Parkplatz vor der Bar verließ und in einen abgelegenen Bereich ging. Glaubhaft sei hingegen die Erklärung, der Täter hätte den Schuss kniend abgefeuert. Zudem kamen die zwei Schüsse laut Zeugenaussagen sehr schnell und kurz hintereinander. Eine Kugel schlug in einer Fensterscheibe ein, die zweite Kugel traf das Opfer aus einer Distanz von etwa 1,50 Meter im Schulter- und Halsbereich und verletzte dort ein großes Blutgefäß.

Nicht körperlich unterlegen


Von dem unbewaffneten Opfer ging laut Kammer zum Tatzeitpunkt keine derartige Bedrohung aus, die den Einsatz der Schusswaffe rechtfertigen würde. Beide Männer waren in Größe und Gewicht körperlich gleichgestellt. Die Aussage des Blankenburgers, er habe aus Angst, körperlich unterlegen zu sein, zur Waffe gegriffen und damit in Notwehr gehandelt, sei demzufolge keine Erklärung. Die Strafkammer sieht es als wahrscheinlicher an, dass der Angeklagte zur Waffe griff, um nicht als Verlierer dazustehen.

Die Aussage des Täters im früheren Verlauf der Verhandlung, er habe einen Warnschuss abgegeben, sei zudem unglaubwürdig, da beide Schüsse in Richtung des Opfers abgefeuert wurden. Einen Warnschuss würde man so nicht abgeben, sondern in die Luft feuern, heißt es in der Erklärung. Zeugen gaben während der Verhandlung außerdem an, dass es im Vorfeld nicht zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen sei, sondern sich beide Männer nur kurze Zeit vor der Bar aufhielten und dort "Kopf an Kopf" standen. Die Erklärung des Täters, er habe das Opfer mehrmals angesprochen und versucht, den Streit verbal zu schlichten, sei damit ebenfalls fragwürdig. Es gab keine Anhaltspunkte die darauf hinweisen, dass es einen Versuch der Schlichtung gab. Weiterhin gab es keine Verletzungen, die auf eine vorangegangene Schlägerei hinweisen würden, so der Richter.

Großes Aggressionspotenzial


Von beiden Männer ging laut verschiedener Zeugen eine große Bereitschaft aus, sich den Streitigkeiten zu stellen. So habe das Opfer noch in der Diskothek durch Blicke und Gesten immer wieder den Kontakt zu dem Täter gesucht. Letztlich hätten dann beide entschieden, die Sache vor der Tür zu klären. Vorangegangen war ein Rempler des Täters. Dieser habe auf der Tanzfläche unabsichtlich die Freundin des Opfers angerempelt, sich aber dafür entschuldigt. Für das 31-jährige Opfer war die Angelegenheit jedoch offenbar nicht erledigt. So sei es dann zu dem verhängnisvollen Moment vor der Diskothek gekommen.

Strafmilderung


Als strafmildernd sei anzusehen, verkündete Polomski, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert und seine Steuerungsfähigkeit stark eingeschränkt war. Das würden unabhängige Zeugenaussagen belegen. Auch bei der Festnahme am Folgetag durch ein Sondereinsatzkommando der Polizei, sei noch Alkohol im Blut des Angeklagten nachgewiesen wurden, heißt es in der Urteilsverkündung. Daraus gehe hervor, dass der Blutalkoholspiegel zur Tatzeit bei zwei Promille gelegen haben muss. Auch das Opfer sei alkoholisiert gewesen, jedoch weniger stark als der Täter. Als positiv sei zudem zu werten, dass der Täter die Schüsse eingeräumt hat und aufrichtig Reue gezeigt habe. Vor Gericht habe dieser beteuert, nicht in Tötungsabsicht gehandelt zu haben. "Negativ wiegt jedoch die Tatsache, dass der 28-Jährige die Waffe mit in die Diskothek genommen hat, für die er keine Waffenbesitzkarte hatte. Und auch nicht begründen konnte, warum er sie mitgeführt hatte. Zudem ist er wegen Körperverletzung vorbestraft", erklärte Polomski.

Bandenzugehörigkeit nicht relevant


Dass es eine Tat zwischen Bandenmitglieder war, könne die Kammer ausschließen. Opfer und Täter hätten sich vorher nicht gekannt. Es gäbe auch keine Hinweise darauf, dass das Opfer Anhänger der Hells Angels war. Auch die Mitgliedschaft des Täters in der Rockerbande „Chicanos“ sei für den Prozess nicht relevant, so Polomski.


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