So handeln Verkehrssünder mit Punkten im Internet

Der Verkehrsgerichtstag in Goslar geht der Frage nach, ob hier eine Gesetzeslücke gestopft werden muss.

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Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg zählt Punkte. Ob sie immer richtig zugeordnet werden können, ist fraglich. Symbolbild
Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg zählt Punkte. Ob sie immer richtig zugeordnet werden können, ist fraglich. Symbolbild | Foto: pixabay

Goslar. Aktuell findet in Goslar der 62. Verkehrsgerichtstag statt. In dessen Rahmen gibt es mehrere Arbeitskreise zu verschiedenen verkehrspolitischen Themen. Eines davon setzt sich mit dem sogenannten Punktehandel im Internet auseinander und der Frage, ob hier das Strafrecht verschärft werden muss. Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages haben allerdings keinerlei Verbindlichkeit für die Entscheidungen der Politik.



Anders als beim Fußball ist das Sammeln von Punkten im Straßenverkehr keine erstrebenswerte Sache, stellen sie doch eine Sanktion für diverse Verfehlungen dar. Haben sich zu viele Punkte angesammelt, gibt es ein Fahrverbot. Um dies zu verhindern, sind einige offenbar bereit, sich auch auf dubiose Pfade zu begeben. Damit beschäftigt sich der Arbeitskreis IV des Verkehrsgerichtstages mit dem Titel "Cleverness oder strafbares Verhalten? Behördentäuschung und Punktehandel".

Gezielte Behördentäuschungen


"In den letzten Jahren ist ein Trend erkennbar, durch gezielte Behördentäuschungen sich Sanktionen im Bereich von Verkehrsordnungswidrigkeiten zu entziehen", berichtet Michael Stöbe, Regierungsrat, Zentrale Bußgeldbehörde beim Landesverwaltungsamt des Saarlandes. In der behördlichen Praxis fielen zunehmend private, organisierte Personengruppen auf, die durch geschickte Weitergabe von Anhörungsbögen an einen anonymen Dritten, der wiederum angeblich Betroffene im europäischen Ausland benennt, die Identität des tatsächlichen Verkehrssünders verschleiere.

Ein weiteres Thema sei der sogenannte Onlinepunktehandel, bei dem verschiedenen Webportale ganz unverhohlen damit werben würden, gegen Bezahlung Punkte für den Betroffenen zu übernehmen. Grundlage des Geschäftsmodells sei die Vermittlung von Strohmännern, welche im Rahmen der Anhörung die Schuld auf sich nehmen würden.

Gesetzeslücke macht es möglich


Ermöglicht werde das Modell durch eine Gesetzeslücke, aufgrund derer das Selbstbezichtigen einer Ordnungswidrigkeit straffrei sei. Zu klären sei die Frage, ob aus behördlicher Sicht ein Schließen dieser Lücke zur befürworten sei und falls ja, wie das ausgestaltet sein könnte.

Janine Redmer-Rupp, Fachanwältin für Verkehrsrecht aus Brühl, hält den Bedarf einer Gesetzesergänzung für fraglich. Möglicherweise stünden der Behörde bereits Mittel zur Verfügung, die es zunächst auszuschöpfen gelte. Angesichts der grundlegenden Differenzierung zwischen Kriminalunrecht und Vorwerfbarkeit sowie gesetzgeberischen Erwägungen und verfassungsrechtlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung des Prinzips des Strafrechts als ultimo ratio scheide die Kriminalisierung des Verhaltens aus. Ein neuer Ordnungswidrigkeits-Tatbestand mit bloß reflexivem Bezug zum Straßenverkehr führe außerdem nicht dazu, dass die Eintragung im Fahreignungsregister „nachgeholt" werde.

"2.000 Euro auf ein anonymes Nummernkonto"


Malte Theis, Richter am Amtsgericht Euskirchen, äußert zwar Unverständnis darüber, dass Betroffene lieber 2.000 Euro auf ein anonymes Nummernkonto überweisen, damit eine unbekannte Person mit unklaren Erfolgsaussichten eine falsche Selbstbezichtigung betreibt, als sich einen qualifizierten seriösen Rechtsanwalt zu suchen und diesen mit der Beseitigung der Misere zu beauftragen. Ob deswegen aber staatlicherseits etwas geschehen und das „scharfe Schwert des Strafrechts“ bemüht werden müsse, solle mit besonderem Blick auf grundrechtsbezogene Erforderlichkeit und auf Rechtsstaatlichkeit geprüft werden.


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