München. Deutschland steuert womöglich auf einen dritten Corona-Winter zu und der Soziologe Armin Nassehi sieht die Politik erneut kaum gerüstet, sich rechtzeitig auf Maßnahmen zu einigen. Das "Zu-spät-Reagieren" sei identisch mit den Diskussionen über Maßnahmen im Spätsommer 2020 und 2021.
"Darin zeigt sich eine grundlegende Überforderung, dann etwas für die Zukunft vorzubereiten, wenn die Parameter gerade noch nicht so drastisch sind", sagte Nassehi dem "Spiegel". Das Unvermögen, auf die Coronakrise zu reagieren, setze sich auch bei anderen Krisen fort. "Regierungspolitik steht immer unter dem Druck in der konkreten Gegenwart funktionieren zu müssen, sonst fehlen oft Legitimation und Durchsetzungsmöglichkeiten", sagte der Münchner Soziologe. Entscheidend sei in der Politik nicht nur, was sachlich richtig ist, sondern was politisch durchsetzbar ist.
Zugleich würden Sachdiskussionen zu oft "von interessierter Seite extrem symbolisch aufgeladen". Mittel- und langfristige Strategien würden so eher zur Ausnahme. Dennoch sieht Nassehi darin keine Gefahr für die Demokratie - sondern eher ihre Stärkung: "Womöglich bieten solche Krisensituationen auch ein Zeitfenster, in dem sich manches ordnet und manche Dringlichkeiten klarer werden", sagte Nassehi. "Trotz aller Symbolfragen gibt es hierzulande einen großen Pragmatismus, sich zu einigen."
Das sei etwas, das so nur in stabilen Demokratien möglich ist. Dass es im Winter wieder steigende Infektionszahlen gibt, gilt als sicher - in den letzten Tagen waren die Inzidenzen aber auch etwas zurückgegangen.
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