Eintracht Braunschweig und der Weltstar Igor Belanow

von Frank Vollmer


Europas Fußballer des Jahres im Eintracht-Trikot: Igor Belaow 1991 gegen den SV Meppen. Foto: Imago/Rust
Europas Fußballer des Jahres im Eintracht-Trikot: Igor Belaow 1991 gegen den SV Meppen. Foto: Imago/Rust | Foto: Imago/Rust



Braunschweig. Im Laufe der Eintracht-Jahreshauptversammlung meldet sich ein Mann zu Wort. Eine Frage brennt ihm auf der Seele: Warum kommt Igor Belanow nicht die historische Bedeutung zu, die er seiner Meinung nach verdient habe? Immerhin war der Ex-Löwe sogar einmal Europas Fußballer des Jahres. RegionalSport.de ist dieser Frage auf den Grund gegangen.

Ein russischer Weltstar in der Bundesliga


Igor Iwanowitsch Belanow gewann 1986 mit Dynamo Kiew den Europapokal im Spiel gegen Athlético Madrid. Wenige Wochen später war er mit der russischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Mexiko derart erfolgreich (4 Tore), dass er zu "Europas Fußballer des Jahres 1986" ernannt wurde. Es war der absolute Höhepunkt in der aktiven Karriere des in Odessa geborenen Flügelstürmers. Dementsprechend frenetisch wurde er im Oktober 1989 bei Borussia Mönchengladbach als Neuzugang und erster Russe in der Bundesliga überhaupt empfangen. Gladbach-Manager Helmut Grashoff schien der Supertransfer gelungen zu sein. Er hatte die Rechnung jedoch ohne den schrulligen Herrn Belanow gemacht, der von da an jedes Fettnäpfchen mitnahm, was sich ihm in den Weg stellte.

Kaum waren Belanow und seine Gattin Irina im Rheinland angekommen, stattete das Ehepaar der nächstgelegenen Metzgerei einen Besuch ab und orderte dort 15 Kilogramm Fleisch. Sie wollten den aus der Heimat bekannten Engpässen vorbeugen. Genügend Steaks für die nächsten Tage hatten die Belanows nun mit Sicherheit. Belanow ließ sich sein Gehalt in Gladbach in Dollar auszahlen, was ihm wegen des schlechten Wechselkurses einen ordentlichen Verlust einbrachte. Noch schmunzelten die Fans in Gladbach über diese merkwürdigen Eigenheiten.

Das Diebespaar Belanow


Sportlich lief es dagegen überhaupt nicht beim Neuzugang. Sagte Belanow noch zu seiner Begrüßung vor 5000 Fans: "Ich will in dieser Saison für Borussia noch zehn Tore schießen", fiel er zunächst wegen eines Muskelfaserrisses aus und präsentierte sich dann im Training deutlich unter seiner Bestform. Erst am 16. Spieltag kam Belanow zu seinem Debüt bei der Borussia. Das Spiel gegen den VfB Stuttgart ging 0:4 verloren. Eine Woche später schlossen die Fohlen die Hinrunde als Tabellenschlusslicht ab.

In der Winterpause sorgte das Ehepaar Belanow dann für einen handfesten Skandal. Bei einem Einkaufsbummel wurde ein Ladendetektiv aufmerksam und beobachtete sie. Die Polizei fand später in Belanows Auto nicht bezahlte Kleidung im Wert von rund 1000 Euro. Die Belanows verbrachten die folgende Nacht in einer Arrestzelle. "Ich bin sicher, dass wir Opfer einer Provokation wurden", behauptete Irina Belanow am nächsten Tag. "Ich weiß nur nicht, wer daran Interesse haben könnte. Vielleicht ein Spieler, der neidisch auf Igor ist? Vielleicht ein Konkurrenzklub, der Angst vor den Toren meines Mannes hat? Auf jeden Fall wurde uns diese ganze schmutzige Affäre untergeschoben."

Bei einer Hausdurchsuchung wurde weiteres Diebesgut sichergestellt. Das Ehepaar wurde später zu einer Geldstrafe von 24.000 Euro verdonnert. Als Wiederholungstäterin wurde Frau Belanow später noch einmal beim Klauen erwischt. Diesmal war es ein roter Kinderbikini. "Igor konnte gar nicht verstehen, dass ihm, dem russischen Star, die Klauereien so verübelt wurden", sagte Gladbach-Manager Grashoff später. Sein Star zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, schottete sich auch innerhalb des Teams ab. Am 30. Spieltag rastete Belanow gegen den HSV aus und sah Rot, nachdem er nach seinem Gegenspieler getreten hatte.

Der Löwe Belanow


Im Winter 1990/1991 wechselte Belanow für die Rekordsumme von 450.000 Mark aus Gladbach zu Eintracht Braunschweig. Hier machte er bis 1994 insgesamt 71 Spiele und immerhin 21 Tore, stieg jedoch 1993 in die drittklassige Oberliga Nord ab. Nach einer Saison mit 26 Einsätzen und acht Treffern ging Belanow zurück in seine Heimat, kehrte jedoch noch einmal in den europäischen Fußball zurück. 2003 übernahm Igor Belanow die Aktienmehrheit beim Schweizer Fußballklub FC Wil. Als erste Amtshandlung engagierte Belanow seinen Landsmann Alexander Sawarow als neuen Trainer – der besaß jedoch nicht mal eine gültige Lizenz.

Kurzerhand machte ihn Belanow zum Sportdirektor und holte einen Trainer mit Lizenz, den er nach drei Monaten entließ und kurz darauf wieder einstellte, nachdem die Spieler sich über die Trainingsmethoden seines Nachfolgers beschwert hatten. Wil gewann jedoch erstmals den Schweizer Cup und nahm in der folgenden Saison an der UEFA-Pokal-Qualifikation teil. Aufgrund verschiedener Differenzen hat Belanow die Schweizer wieder verlassen, und die AG ging in das Nachlassverfahren. Heute soll Igor Belanow in der Stahlfirma seines Schwiegervaters als Buchhalter tätig sein.


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