Braunschweig. Im Rahmen eines außerordentlichen FanParlaments stellte sich Sebastian Ebel am Donnerstagabend den Fragen der Löwen-Fans. Mit ungewohnt offener Art und viel Wortwitz beantwortete der Präsident von Eintracht Braunschweig auch brisante Fragen und räumte dabei auch einige Missverständnissen aus der Welt.
Ein Brückenschlag zu den Fans
Um einiges besser vorbereitet als noch bei der großen Fan-Versammlung im Herbst 2017 ging Sebastian Ebel in den verbalen Austausch mit den Fans, die natürlich wissen wollten, wie der Abstieg passieren konnte und was der Verein daraus in Zukunft für Schlüsse gezogen hat.
„Unser Ziel dieses Abends war, alle offenen Fragen aus der vergangenen Saison zu beantworten, um einen glaubhaften und unbelasteten Neustart möglich zu machen“, brachte es FanPressesprecher Robin Koppelmann eingangs auf den Punkt. Mehr als250 Gästen waren der Einladung in die Löwen-Lounge des Eintracht-Stadionsgefolgt.PräsidentEbel beantwortete dabei jede noch so kritische Frage mit Nachdruck und Wortwitz und schaffte es aufseine Weise, dass das von Koppelmann formulierte Ziel des Abends am Ende definitiv erreicht wurde.
Im Nachfolgenden sind die wichtigsten Fragen der Fans und die Antworten von Ebel zusammengefasst.
Sebastian Ebel über…
… den neuen Trainer
„Wir haben das gemeinsame Ziel, aufzusteigen – und das so schnell wie möglich“, gab Ebel den Ist-Zustand wieder, bat aber noch einmal um Geduld: „Die neu zusammengestellte Mannschaft braucht auch eine gewisse Zeit, um sich einzuspielen.“ Der 55-Jährige lobte Trainer Henrik Pedersen mit den Worten: „Es ist eine große Herausforderung, die er angenommen hat“ und bat um die volle Unterstützung vonseiten der Fans für den anfangs überraschend anwesenden, neuen Übungsleiter, bevor es in den zentralen Themenschwerpunkt des Abends ging.
„Wir haben das gemeinsame Ziel, aufzusteigen – und das so schnell wie möglich“ Sebastian Ebel
… die Situation im Winter
„Wir haben so gelitten, dass so etwas unerwartetes passieren konnte“,bestätigteEbel seine Gefühle zum Abstieg. Man habe bereits im Winter gewusst, dass es keine gute Saison werde. „Immer wieder haben wir gesagt, wir stehen weiterhin uneingeschränkt hinter Torsten Lieberknecht." Man habe intern entschieden: „Ein neuer Trainer der käme, hätte Startschwierigkeiten gehabt.“ Also stellte man sich hinter Lieberknecht, auch bei den Spielerverpflichtungen. Lieberknecht habe jeden bekommen, den er wollte. Und: „Vom Geld her hätten wir sogar mehr machen können“, teilte Ebel dem gespannten Auditorium mit.
„Ich habe Torsten dann im Winter gefragt: ‚Kriegen wir das hin?‘ Wir haben eher darüber geredet, ob wir wegen der Fernsehgelder noch Platz acht schaffen. Da war seine und meine Einschätzung: das kriegen wir hin - auch wenn man aufgrund der Situation auch Zweifel haben konnte.Auch war die Frage: was bewirkt ein Trainerwechsel? Oder gibst du deinem Trainer einfach die maximale Unterstützung? Wir hatten innerhalb des Aufsichtsrats große Unterstützung für Torsten.Es war eine wohl überlegte Entscheidung [ihn zu halten - Anmerk. d. Red.].“
„Wir haben uns leider nur schriftlichbeiTorsten bedanken können. Wir werden versuchen, das bei einer guten Gelegenheit nachzuholen.“ Sebastian Ebel
… das „Endspiel“ in Aue
„Das Aue-Spiel war sehr belastend, weil es nie ein Ultimatum an Torsten Lieberknecht gab“, erklärte der Manager. Man habe das Thema, auch mit der Wirkung des Sieges nicht allzu sehr hochkochen wollen: „Sowas schweisst das Team zusammen und auch die Fans. Durch den Sieg wurden die Reihen geschlossen. In so einer Situation hälst du besser dicht. Das war überlegtes Kalkül mit den falschen Schlüssen und dem falschen Ausgang“, gestand Ebel ein.
Erstmalspersönlich Angst um den Klassenverbleib habe Ebel in Nürnberg bekommen: „Da war keine Gegenwehr auf dem Platz.“ In der Folge habe man sich mit der Mannschaft zum Krisengipfel zusammengesetzt. „Sie sagte, sie steht hinter dem Trainer und wir schaffen das mit den Strukturen, die wir haben“, so Ebel, der ergänzte: „Vielleicht hat der Mut gefehlt. Ob die Resultate jedoch besser gewesen wären, weiß ich nicht.“
"Es hat nie ein Ultimatum an Torsten Lieberknecht gegeben!" Sebastian Ebel
… das Lieberknecht-Aus
Nach dem Abstiegs-Desaster in Kiel setzte man sich umgehend zusammen und analysierte gemeinsam mit dem Trainer die Saison. „Die Einschätzung war in weiten Teilen übereinstimmend: von Verletzungsanfälligkeit bis hin zu Blockaden bei den Spielern.Es war uns wichtig, eine gemeinsame Basis zu finden“,erklärte Ebel. Man habe dann im Einvernehmen mit Torsten Lieberknecht bewusst entschieden, dass man den Vertrag mit dem Trainer nicht verlängern werde. „In einem extrem fairen Umgang, weil wir neun super Jahre hatten und große Dankbarkeit empfanden“, betonte Ebel.
Man habe Torsten Lieberknecht auch eine gemeinsame Verabschiedung mit dem Trainerteam angeboten. „Ich glaube, dass das in dem Augenblick nicht gewollt war. Wir haben uns leider nur schriftlichbeiTorsten bedanken können. Wir werden versuchen, das bei einer guten Gelegenheit nachzuholen.“

„Wir haben so gelitten, dass so etwas unerwartetes passieren konnte.“ Foto:
… Gespräche mit anderen Trainern
„Wir haben in den vergangenen Jahren immer Kontakt mit Trainern gehabt. Das ist auch so, weil wir gemeinsam die Überlegung hatten, vielleicht muss man was im Sommer ändern“,verriet SebastianEbel auf Gespräche mit möglichen Lieberknecht-Nachfolgern während der Saison angesprochen und erklärte: „Wir hatten eine Liste und Kontakt zu potentiellen Kandidaten.“ Es sei aber nicht so, dassein derartiges Gebaren als Misstrauensvotum ausgelegt werden könne. Viel mehr sei es ein ganz normales Vorgehen bei einem professionellen Fußballclub.
"Ohne die Verletzung von Christoffer Nyman wären wir nicht abgestiegen!" Sebastian Ebel
… altgediente Abgänge
„Ein Neuanfang ist auch, dass wir mit einigen Spielern gerne weiter arbeiten würden“,antwortete Sebastian Ebel. In der Regel sei die Frage, wer der neue Trainer werde, extrem wichtig für die Spieler gewesen. „Die wollten wir innerhalb von zwei Wochen beantworten. Denen, die wir halten wollten haben wir einen mündlichen Rahmen genannt.“
Bei Ken Reichel sei man beispielsweise an die absolute Schmerzgrenze gegangen. Der Verteidiger habe dem Berlin vorgezogen. „Ich habe da Verständnis, das muss man akzeptieren“, betonte Ebel, auch hinsichtlich des Alters von Reichel. Mit Jan Hochscheidt habeer persönlich gesprochen, bei den anderen Spielern seien die Berater der erste Ansprechpartner gewesen.
„Wir hätten nicht nur den Spielerberater von Mirko Boland kontaktieren dürfen, sondern ihn persönlich. Das war ein Fehler“ Sebastian Ebel
… den Fall Boland
„Wir hätten nicht nur den Spielerberater von Mirko Boland kontaktieren dürfen, sondern ihn persönlich. Das war ein Fehler“, gestand Ebel den Kommunikationslapsus ein, der dazu führte, dass der Mittelfeldspieler sein Aus bei Eintracht Braunschweig aus den Medien erfuhr. „Ich habe das nicht mitbekommen, sonst hätte ich ihn selbst angerufen“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende.
Der Wertschätzung von Boland bei den Fansist sich Ebel durchaus bewusst, aber: „Wir haben entschieden, einen Neuanfang zu machen. Vor einem Jahr haben viele gesagt, er ist nicht mehr der Richtige“, entgegnete Ebel der Frage, warum Boland habe gehen müssen. „Es gab gute Gründe, den Vertrag nicht zu verlängern. Das spielerische Potential und die fehlende Schnelligkeit vonMirko Boland haben eine große Rolle gespielt." Auch habe es Themen neben dem Platz gegeben, die Sebastian Ebel jedoch nicht öffentlichmachenwollte. „Überwiegend waren es sportliche Gründe“ betonte er. Aber: „Wir haben da deutlich zwischen beiden Themen unterschieden.“

Streitthema Mirko Boland. Sebastian Ebel erklärte die Situation aus Sicht des Vereins. Foto: Agentur Hübner
… geplante Spieler-Verabschiedungen
Mit Ken Reichel, Mirko Boland, Jasmin Fejzic, Domi Kumbela und Jan Hochscheidt sollen fünf altgediente Spieler noch einmal eine besondere Verabschiedung erfahren. „Wir müssen sehen, wie wir das machen“, kündigte Ebel an.
... finanzielle Einbußen bei Spielern und Verantwortlichen
"Ein Spieler bekommt in der 3. Liga 30 bis 40 Prozent von dem Gehalt in der 2. Bundesliga. Bei uns sind es noch einmal 10.000 Euro mehr", entgegnete Ebel auf die Frage nach Gehaltskürzungen.So sei beispielsweise auch der Sportliche Leiter Marc Arnold von den nötigen Kürzungen betroffen.
… die Gerüchte um Lieberknecht
„Ich habe so viele Verleumdungen gehört, wo jemand gesagt hat: ‚Ich habe mit dem oder dem gesprochen‘. Da hört es irgendwo auf! Ich möchte ganz klar sagen: diese Themen sind erlogen und erstunken und es ist wichtig, dass wir da eine gewisse kritische Distanz haben“, forderte Ebel hinsichtlich der unsagbaren Gerüchte, die über den Trainer in die Welt gesetzt worden waren.
… die Abwesenheit von Marc Arnold
„Ich kann verstehen, dass in einer solchen Situation immer gern ein Schuldiger gesucht wird“, zeigte sichEbel diplomatisch und nahm etwas Feuer aus dem Thema um den abwesenden Sportlichen Leiter, der aktuell bei einer Managertagung weilt: „Ich glaube, dass es ganz gut ist, dass ich versuche, die Fragen zu beantworten. Ich war im engsten Kontakt, um das beurteilen zu können. Das ist heute auch ein bisschen Schutz. Auf der anderen Seite wirdMarc sicher beim nächsten Mal dabei sein“, versprach Ebel.
… das Scouting bei Eintracht Braunschweig
„Wir haben eine sehr gute Scouting-Abteilung, aber die ist in letzter Zeit nicht mehr so genutzt worden, wie sie genutzt werden hätte können.“
… die finanzielle Lage
Ebel nutzte die Frage nach den erhöhten Dauerkartenpreisen, um noch einmal klarzustellen: „Wir stehen wirtschaftlich nicht gesünder da, als vor zehn Jahren!“ Das Stadion sei teurer geworden, der Spieler-Etat insgesamt drei Mal so hoch wie damals. Hinzu kämen Sicherheitsgebühren und Verbandsabgaben.
„Wir haben so viele Mehrausgaben, dass wir in der 3. Liga, wenn wir keinen Spieler verkaufen, mehrere Millionen Euro Verlust machen“, erklärte der Präsident, wollte aber keine reelle Zahl nennen. „Ich bin total dankbar, dass wir bei den Dauerkarten fast auf dem gleich Niveau bleiben“, so Ebel. Nichtsdestortrotz werde im kommenden Jahr ein „horrender Verlust“ stehen. Ebel warnte: „Das können wir uns ein Jahr leisten, dann wird es schwierig.“ Deshalb sei das Ziel ganz klar die schnelle Rückkehr in die 2. Bundesliga.
„Das können wir uns ein Jahr leisten, dann wird es schwierig.“ Sebastian Ebel
… die Rückschlüsse aus dem Abstieg
„Wir haben gemeinsam alle falsch entschieden“, betonte Ebel und ergänzte:, „So viel hätten wir aber nicht anders machen können.“ Torsten Lieberknecht sei ganz klar nicht der eine Hauptschuldige an der jetzigen Situation.
Auch habe man Schlüsse gezogen für die Zukunft: „Wir haben versucht, das jetzt auf eine viel breitere Basis zu stellen.“ Auch das Scouting wolle man mehr in die Pflicht nehmen. „Ich glaube es wäre gut, wenn wir die Dinge gemeinsam bewegen“, bat Ebel abschließend. „Das hat uns in den Jahren immer stark gemacht. Sowas ist nur gemeinsam zu schaffen.“

Pickepackevoll: Über 250 Fans waren der Einladung des FanRates gefolgt. Foto: Frank Vollmer
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