Region. Eintöpfe sind einfach und gut. Unsere Vorfahren mussten sie kochen. Wir dürfen. Zeit zur Neuentdeckung dieses kulinarischen Wunderwerks.
Sprechen wir über den Eintopf. Viel geschmäht, viel bewundert. Ein bisschen aus der Mode gekommen, wo es vermeintlich mediterran schick zu geht. Vermeintlich. Denn der Eintopf ist zeitlos und an keine Grenzen gebunden. Im Duden findet sich das Wort übrigens erst im Jahre 1934. Da war der Eintopf ein Politikum. Die Nationalsozialisten hatten gerade ein Jahr die Macht übernommen, die Führung des Staates wollte sich als besonders volkstümlich zeigen, die Bürger zur Sparsamkeit anhalten. Einmal in der Woche sollte deshalb ein Eintopf gegessen werden. Und damit man den Eindruck hatte, dass die Führung des Landes selbst dahinter steht, inszenierten hochrangige Vertreter des NS-Staates Fototermine, bei denen sie selbst beim Löffeln der Erbsensuppe gezeigt wurden. Davor hatte man, jedenfalls in Deutschland keinen Namen für das, was eigentlich selbstverständlich war. Denn, dass alles in einen Topf geworfen wurde, hatte weniger etwas mit kulinarischen oder ideologischen Gründen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass es keine Ceranfeldherde mit stufenlos zuschaltbaren Kochplatten gab, sondern eine Feuerstelle. Vor allem bei den armen Menschen.
Ein echter Longseller
Und von denen gab es zu jeder Zeit genug. Bereits 7.500 Jahre vor Christi Geburt sind Eintöpfe belegt. Bei Ausgrabungen im südwestlichen Iran stieß man auf Spuren von Kulturen, die darauf hindeuten, dass ein Gemisch von Getreidekörnern, Ähren, wilden Hülsenfrüchten und Fleisch zusammen gemütlich köchelten. Bis heute sind diese Rezepte übrigens im Iran beliebt. Ein echter Longseller also, der da auf die Teller wandert. Die nordamerikanischen Indianer kochten eine ganze Nacht lang grob gemörserten Mais, Bohnen und Fleisch oder Fisch auf kleinem Feuer. Dieses Rezept wurde von den weißen Siedlern übrigens übernommen. Im alten Rom bekamen die Gladiatoren einen Eintopf aus Gerstenschleim und dicken Bohnen zur Stärkung, die Ägypter liebten ihre Eintöpfe sehr filigran mit besonderen Gewürzen – Zwiebel, Lauch, Knoblauch, Dill, Koriander, Kümmel, Feigensaft und Essig – und im Ersten Weltkrieg trocknete man für die Soldaten an der Front Erbsensuppe, die man dann verdünnen konnte. In der jüngsten Vergangenheit galt er als etwas angestaubt. Oma kochte weiße Bohnensuppe. Die Enkel lieber leichte Pasta.
Geadelter Eintopf
Die Beliebtheit über die Jahrhunderte hatte, wie gesagt, einen sehr praktischen Grund: Meist war nur eine offene Feuerstelle da. Da blieb als gar nichts anderes übrig, als in einem Topf zu kochen. Wenn Fleisch verwendet wurde, dann waren es in der Regel alte Tiere, die zäh waren und eine lange Kochzeit benötigten, um genießbar zu sein. Inzwischen ist der Eintopf schon fast wieder zum Geheimtipp geworden. Die Bouillabaisse war zum Beispiel einst ein Arme-Leute-Eintopf. Ursprünglich wurde sie von den Fischern aus dem zusammengekocht, was sich für den Verkauf nicht eignete, weil es zu klein oder zu grätig war. Knoblauch war übrigens in Frankreich ein vor allem preiswertes Küchengewürz und kam deshalb gern zu allen Speisen. Was früher Zwang war – etwa nach dem Krieg der Steckrübeneintopf – kann heute geschmacklich neu entdeckt werden. Der Eintopf braucht Zeit, aber er ist dafür dankbar. Schmeckt am zweiten Tag besser als am ersten. Und man kann ihn vorkochen. Im stressigen Alltag eine feine Sache. Statt die Dose aufzumachen, sollte man bei Omas Rezepten nachschlagen, und selbst den Kochlöffel schwingen. Das Ergebnis lohnt sich.
Sehr schön ist auch dieses Boillabaisse-Rezept von Sarah Wiener: http://www.sarahwiener.de/die-kueche/rezepte/detail/rezept/bouillabaisse/
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