Region. Angesichts der erneuten Bedrohung durch das Corona-Virus hat Landesbischof Dr. Christoph Meyns in seiner Weihnachtspredigt den Menschen Mut zugesprochen und zur Zuversicht aufgerufen. Jesu Geburt könne uns berühren und von innen leuchten lassen.
Diese Erfahrung hätten Menschen durch alle Zeiten immer wieder gemacht, sagte er am Heiligen Abend, 24. Dezember, im Braunschweiger Dom. Sie hätten die Botschaft des Engels „Fürchtet euch nicht!“ als Ermutigung für das eigene Leben erfahren und seien so selber Teil der Weihnachtsgeschichte geworden.
Weihnachten, so der Landesbischof, sei eine Kraft gegen Angst und Sorgen, Traurigkeit und innere Unruhe, aber auch gegen die Verwerfungen und Aggressionen in unserer Gesellschaft. Weihnachten könne das Herz weit machen und den Frieden unter den Menschen fördern. Gott komme in Jesus zur Welt, deshalb brauche die Welt nicht zu bleiben wie sie ist. Das sei das tiefste Geheimnis der Welt.
Predigt zum Heiligabend 2021 von Landesbischof Dr. Christoph Meyns
"Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. (Lk 2,8-14)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde! In diesen Tagen muss ich zurückdenken an das eine Jahr in meiner ersten Gemeinde als junger Pastor, an dem wir alles mal ganz anders gemacht haben als sonst zu Weihnachten. Nicht die Kinder haben das Krippenspiel im Gottesdienst am Heiligabend aufgeführt, und die El- tern saßen als Publikum im Kirchenschiff, sondern genau umgekehrt. Wir jungen Eltern im Dorf haben das Krippenspiel für unsere Kinder aufge- führt. Unser Nachbar hat den Joseph gegeben und seine Frau die Maria.
Als Jesuskind hatten sie sich von ihrer Tochter die große Puppe ausgeborgt. Drei junge Väter hatten sich mit Bundeswehr-Parka, Schlapphut, Gummistiefeln und Holzstab als Hirten verkleidet. Wir hatten einen Verkündigungsengel mit einer Stirnlampe am Kopf. In der Hirtenszene hat sie sich auf einen Stuhl gestellt, die Stirnlampe angeknipst und gesungen: Vom Himmel hoch da komm ich her. Und dann war da noch Björn, Björn der Weihnachtsengel, von Beruf Schlosser, ein Schrank von einem Mann mit dunklem Vollbart. Seine Frau hatte ihm aus einem Bettlaken ein weißes Gewand genäht mit kleinen goldenen Flügeln auf dem Rücken. Und dazu trug er eine blonde Perücke. Der beste Weihnachtsengel der Welt.
Dieses Krippenspiel hat mich damals sehr berührt. Menschen aus dem Dorf, die wir alle kannten als Handwerker, Kaufleute und Landwirte, als junge Väter und Mütter mit ihren Kindern, als Fußballer, Landfrau- en und Feuerwehrleute wurden sozusagen Teil der Weihnachtsgeschichte. Und ich kann es nicht genau beschreiben, aber etwas von dem, was einen daran staunen lässt, von dem Licht in der Dunkelheit, von dem Geheimnis Gottes in dieser Nacht, hat sich auf sie übertragen. Das hat sie sozusagen von innen leuchten lassen. Und das haben wir gespürt, die wir im Gottesdienst waren. Und so ist das wohl zu Weihnachten, wenn es gut läuft: Wir finden ganz persönlich hinein in die Weihnachtsgeschichte. Wir finden dort einen Platz mit unserem eigenen Leben und das verwandelt uns.
Wenn Sie an einem solchen Krippenspiel teilnehmen würden, welche Rolle würden Sie gerne spielen? Wären Sie gerne einer der Hauptpersonen? Würden sie sich gerne einmal als Joseph fühlen oder als Maria? Oder wären Sie lieber gerne einer der Hirten? Oder hätten Sie Lust, einen Engel zu spielen? Oder wären Sie lieber als stiller Beobachter dabei, als kleiner Hirtenjunge auf dem Felde bei den Hürden oder als Ochs oder Esel im Stall? Oder als Katze, die sich alles von oben vom Dachstuhl aus anguckt? Oder wären Sie lieber einer der Leute, zu denen die Hirten kommen und ganz aufgeregt von dem erzählen, was sie erlebt haben? Oder würden Sie sich einfühlen in die Atmosphäre einer dunklen, stillen Nacht? Die Kälte spüren, das Feuer der Hirten knistern hören, den Rauch riechen?
Ich finde, in diesem Jahr könnten wir alle gut einer der Hirten sein, dem der Engel erscheint. Ich jedenfalls könnte gut gebrauchen, wenn mich die Herrlichkeit des Herrn einmal so richtig intensiv umfangen würde. Auch wenn ich mich dabei wahrscheinlich furchtbar erschrecken würde, das würde ich in kauf nehmen, das wäre es mir wert. Und ich würde die Botschaft des Engels gerne so ganz direkt für mich hören: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude. Das könnte ich in diesen Tagen gut gebrauchen, diesen Zuspruch, und Sie vermutlich auch.Schon wieder diese elenden Kontaktbeschränkungen: Fürchtet euch nicht. Der Aggressivität der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen: Fürchtet euch nicht. Schon wieder Weihnachten ohne Feier in der Großfamilie: Fürchtet euch nicht. Die Sorgen um die Menschen, denen wir verbunden sind: Fürchtet euch nicht! Unsere Traurigkeit, wenn wir an die denken, die im Krankenhaus um ihr Leben kämpfen. Fürchtet euch nicht. Unsere innere Unruhe, wenn wir an all das denken, was noch getan werden muss: Fürchtet euch nicht. Unser Seufzen, wenn wir an das neue Jahr denken: Fürchtet euch nicht.
Welche anderen Möglichkeiten gäbe noch, sich einzufühlen in die Weihnachtsgeschichte? Ein etwas ungewöhnlicher Gedanke ..., aber könnten wir uns in einen Ort einfühlen? Könnten wir uns vielleicht in den Stall hineinversetzen, der das heilige Paar und ihr Kind umfängt und behütet. Der sich wundert, wer da nun ausgerechnet bei ihm beschlossen hat zu übernachten. Der die Geburt miterlebt und sich freut über das neue Leben. Der plötzlich merkt, wie er der Raum innen immer größer wird, bis er das Gefühl hat: das kann doch gar nicht sein, das ist innen viel größer und weiter als von draußen betrachtet. Der staunt über das, was er da fühlt, wenn er das Kind ansieht und zu verstehen versucht: Das hier ist Gott, Gott selbst. Der Ewige. Der Anfang und das Ende von allem. Das tiefste Geheimnis der Welt. Das verborgene Geflecht, in dem wir leben und weben. Und der hier zur Welt kommt, sich klein macht, Mensch wird, zu mir kommt. Unbegreiflich, staunenswert, zutiefst berührend.
Liebe Gemeinde, das wünsche ich Ihnen in diesem Jahr: dass Sie mit diesem Gottesdienst und an anderer Stelle in diesen Tage in die Weih- nachtsgeschichte hineinkommen, dass Sie dort Ihren Platz finden, dass Sie sich hineinbegeben können mit Ihrem Leben, mit all dem, was Sie bewegt, mit Ihrer Freude und Ihrem Kummer, dass Sie etwas spüren von dem Licht und von der Klarheit und von dem Staunen, das uns dort begegnet, dass Sie sich anrühren lassen können und dass Sie die Stimme des Engels hören, der zu Ihnen selbst selbst spricht: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude.
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Bleiben Sie behütet!
Amen.
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