Thomas Pink richtet sich mit offenem Brief an die Bürger

In einem offenen Brief an die Bürger redet der Bürgermeister über die aktuelle Lage aufgrund der Corona-Krise.

Bürgermeister Thomas Pink. (Archivbild)
Bürgermeister Thomas Pink. (Archivbild) | Foto: Robert Braumann

Wolfenbüttel. Hat Bürgermeister Thomas Pink die Wolfenbütteler Bürger vor gut einer Woche noch als "unverantwortlich" gerügt und mit einer Ausgangssperre gedroht, findet er nun in einem offenen Brief weniger harte, dennoch weiterhin mahnende Worte. Wir veröffentlichen den Brief des Bürgermeisters ungekürzt und umkommentiert.



Liebe Wolfenbüttelerinnen und Wolfenbütteler,

wir alle befinden uns derzeit in einer Situation, die wir so nicht haben kommen sehen, die wir auch noch vor zwei Wochen nicht für möglich gehalten haben. Für jeden persönlich wichtige Kontakte, - im Beruf, in der Familie, im Freundeskreis, im Verein – sind auf null gefahren. Das Verhalten der Menschen ändert sich. Wir sind verunsichert, was da noch auf uns zukommt und wie lange diese Ausnahmesituation noch anhält.

Ich bin seit Tage in dieser Stadt unterwegs und musste vor allem in der vorherigen Woche, als sich eine Zuspitzung der Lage ankündigte, noch viele unvernünftige Mitmenschen erleben. Das hat sich nach den erforderlichen und entsprechenden Anordnungen auf allen staatlichen Ebenen völlig verändert. Und das ist gut so. Das bedeutet auch, dass der überwiegende Teil der Wolfenbütteler die Lage erkannt hat und die einschneidenden Maßnahmen akzeptiert.

Nur noch wenige Unverbesserliche verstoßen dagegen oder meinen, noch immer über die Dinge in philosophischer Weise diskutieren zu können. Ja, mir sogar Schadenersatzansprüche anzudrohen, weil am vergangenen Samstag aus sicherheitsrechtlichen Gründen, der uns so ans Herz gewachsene Wochenmarkt sehr kurzfristig abgesagt werden musste.

Damit allen das auch mal bewusst wird: solche Entscheidungen treffe ich nicht leichtfertig alleine und nicht aus dem Elfenbeinturm heraus, sondern diese Entscheidungen entstehen nach intensiven Erörterungen hier im Rathaus mit allen daran beteiligten Verantwortungsträgern und Fachleuten und es sind immer Reaktionen auf neue Sachverhalte. Und solche neuen Sachverhalte und Gefahrenlagen hatten wir am vergangenen Freitag – und auch für uns erst am Abend! Mir hier Panikmache und Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen ist schlichtweg unangemessen, unreflektiert und unfair.

Die gute Nachricht: Ab kommenden Samstag wird der Markt – zwar nicht wie gewohnt - aber mit den nötigen Waren des täglichen Lebens wieder stattfinden und wir bieten allen entsprechenden Händlern über die gesamte Woche an, ihre Waren feilzubieten. Dass das für einige schwierig wird, ist uns ebenfalls bewusst, sind sie auch auf anderen Märkten in der Region verpflichtet. Wenn an uns von Händlern der Wunsch herangetragen wird, das Angebot auf alle Wochentage auszuweiten, werden wir unkompliziert reagieren.

Liebe Wolfenbüttelerinnen und Wolfenbütteler, diese schwierige Phase wird meiner Einschätzung nach noch eine Weile so weitergehen. Alles was jetzt von einigen wenigen verantwortungslosen Bundespolitikern zu einem baldigen Ende des Shutdowns gesagt wird, ist reißerisch, völlig an der Realität vorbei und wenig hilfreich. Zunächst einmal bedeutet das für Niedersachsen und damit auch für uns hier in unserer wunderbaren Stadt, dass das öffentliche Leben im Wesentlichen bis zum 18./19. April heruntergefahren bleibt. Das bedeutet ein Osterfest ohne die gewohnten Familientreffen, ohne die Spaziergänge mit Besuchen in den Eiscafés, den Restaurants, ohne die traditionellen Osterfeuer, privaten Frühlingspartys und, und, und…

Das fordert uns heraus, aber das werden wir gemeinsam meistern. Wir alle stecken in dieser Situation und müssen uns zurücknehmen und auf vieles verzichten! In meiner Familie gibt es zwei Geburtstage – wir werden uns elektronisch und/oder telefonisch gratulieren, ein virtuelles Bier trinken und alles auf die bessere Zeit verschieben. Warum müssen wir uns bescheiden, zurückstecken, verzichten – es ist ganz einfach! Weil wir möglichst bald wieder unser gewohntes Leben halbwegs leben wollen. Weil wir uns schützen müssen, vor einem unsichtbaren Gegner, der nicht nur einfache Erkrankungssymptome im Gepäck hat, sondern in seiner Massivität den Tod bringen kann und weil wir die Pflicht haben unsere schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft – ja unserer Stadtgesellschaft zu schützen, solidarisch zu handeln und verantwortungsvoll die nächsten Wochen mit dieser schlimmen Krise umzugehen.

Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das auch gemeinsam schaffen werden. Schon jetzt sehe ich die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Menschen dieser Stadt, die in diversen Gruppen in den sozialen Medien ihre Hilfe anbieten. Ich sehe den sehr verantwortungsvollen Umgang mit den Regeln, die einzuhalten sind. Ich sehe die unglaubliche Solidaritätsbekundung der Unternehmerfamilie Mast mit ihrem Sprecher Florian Rehm, die die Initiative gab, Wolfenbütteler Unternehmen nun in dieser schweren Zeit unbürokratisch und schnell zu helfen. Herr Rehm überzeugte uns, den Landkreis und die Stadt, so dass wir selbstverständlich mitmachen.

Liebe Wolfenbüttelerinnen, liebe Wolfenbütteler, es gibt sicher einen Grund zur Sorge, aber nicht zur Panik oder gar zur Verzweiflung. Wir hier im Rathaus gehen sehr verantwortungsvoll mit der Situation um. Ja, es gibt auch bei uns schon Erkrankungsfälle, aber der nötigste Dienstbetrieb wird aufrechterhalten. Ich als Bürgermeister muss im Augenblick innerhalb kürzester Zeit völlig neue Sachverhalte klären, entscheiden und umsetzen und das in sehr kollegialer Weise mit allen Kolleginnen und Kollegen hier im Landkreis. Diese Katastrophe schweißt zusammen und kann auch eine Richtschnur für das künftige Miteinander sein.

Danken möchte ich unserer Polizei, den Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr, den Helferinnen und Helfern der Pflege- und Rettungsdienste. Dank auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Einzelhandel und den damit verbundenen Lieferketten. Auch hier wird Großartiges geleistet und leider nicht immer von uns Kunden gewürdigt. Dank gilt einfach allen Menschen, die jetzt noch die Versorgung aufrechterhalten, die in den verschiedensten Bereichen arbeiten, um dieses Land an den dringendsten Stellen am Laufen zu halten.

Eines ist mir ganz, ganz wichtig! Ein ganz besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen im Städtischen Klinikum, die in den vergangenen Tagen sämtliche Abläufe auf eine zu erwartende Zunahme an Erkrankungsfällen mit Covid-19 vorgenommen haben und in unglaublich engagierter Art und Weise über Ihre Kräfte gehend zum Wohl der Menschen arbeiten. Den Ärztinnen und Ärzten sowie dem hochmotivierten Pflegepersonal. Wir können uns in dieser Situation glücklich schätzen, ein derart leistungsfähiges Krankenhaus in städtischer Trägerschaft vorhalten zu können.

Liebe Wolfenbüttelerinnen und Wolfenbütteler, halten Sie weiter Kurs. Lassen Sie uns gemeinsam diese Mammutaufgabe erfüllen! Jeder da, wo er gebraucht wird und seine Leistung und sein Engagement einbringen kann! Je disziplinierter wir jetzt handeln und das noch für die nächsten Wochen so durchhalten, umso schneller können wir alle unser gewohntes Wolfenbüttel wieder genießen.

Ich bitte Sie herzlich, machen Sie mit.
Bleiben Sie gesund!
Ihr Thomas Pink


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