Kiew. Die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) hat Front-Verbote für Journalisten in der Ukraine kritisiert. 52 Städte und Dörfer an der Front in der Ostukraine sind laut RSF seit Ende März für Medienschaffende gesperrt.
Die Siedlungen lägen nun in einer roten Zone, welche Journalisten nicht mehr betreten dürfen, wie die Nichtregierungsorganisation unter Berufung auf eine Mitteilung der regionalen Militärkommandos vom 19. bzw. 20. März schreibt. "Wir halten die neuen Regeln für übertrieben", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). "Sie machen die Berichterstattung von der Front praktisch unmöglich." Die ukrainische Regierung müsse gewährleisten, dass Medienschaffende weiterhin aus erster Hand über den russischen Krieg gegen die Ukraine berichten könnten.
Auch in der Südukraine wurde eine rote Zone eingerichtet: Dort ist Medienschaffenden der Zugang zu sämtlichen Häfen, militärischen Objekten, wiedereroberten Gebieten und Grenzgebieten verboten. Grundlage für die Einrichtung der Sperrzonen ist eine Änderung der Vorschriften für Berichterstattende im Kriegsgebiet vom 27. Februar 2023. Dieser zufolge müssen die vier militärischen Regionalkommandos das Frontgebiet und die Grenzregionen in ihrer Zuständigkeit jeweils in eine rote, gelbe und grüne Zone einteilen. Das Betreten der roten Zone ist Medienschaffenden verboten.
In der gelben Zone ist Berichterstattung nur in Begleitung eines Presse-Offiziers erlaubt. In der grünen Zone darf ohne Einschränkungen journalistisch gearbeitet werden. Zusätzlich führt das Militär neue Pressekarten für Medienschaffende im Kampfgebiet ein. Medienschaffenden, die gegen die neuen Regeln verstoßen, droht der Entzug der Akkreditierung oder deren vorübergehende Aussetzung.
Die neuen Regeln zielten nicht auf eine Behinderung der Arbeit von Journalisten, versicherte RSF zufolge Natalija Humenjuk, Sprecherin des Militärkommandos Süd. Stattdessen sollten sie die journalistische Tätigkeit "unter Berücksichtigung der Situation und der Bedürfnisse der Armee organisieren". Die Einteilung der Zonen werde mit Blick auf die Entwicklungen an der Front wöchentlich überprüft. Auch ukrainische Medienschaffende kritisieren die neuen Regeln scharf.
Das Zonen-Modell mache die Berichterstattung von der Front faktisch unmöglich, protestierte Oksana Romanjuk, Vorsitzende des Institute of Mass Information (IMI). Die Einteilung der Zonen sei logisch nicht nachvollziehbar: Städte unter russischem Beschuss seien grünen Zonen zugeteilt worden, während weitgehend ruhige Ortschaften sich in einer roten Zone wiederfänden. So ist etwa die ostukrainische Stadt Snihuriwka künftig für Medienschaffende tabu, obwohl sie 40 Kilometer von der Front entfernt liegt. Große Gebietshauptstädte wie Mykolajiw und Cherson, in denen ukrainische Medien weitgehend ohne Einschränkungen arbeiteten, dürfen künftig nur noch in Begleitung von Presseoffizieren betreten werden.
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