Hannover. Der Einzelhandel und auch einige regionale Bürgermeister fordern die Erlaubnis für anlasslose verkaufsoffene Sonntage in der zweiten Jahreshälfte, um die Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen. Bei der Landesregierung stößt man dabei auf offene Ohren, wie das Sozial- und das Wirtschaftsministerium in einer gemeinsamen Antwort auf Anfrage von regionalHeute.de mitteilen. Doch die Chancen, dass es dazu kommt, stehen eher schlecht. Denn die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert den Vorschlag.
Die Folgen der Corona-Pandemie stellten den Einzelhandel in Niedersachsen vor existenzielle Herausforderungen, heißt es in der Stellungnahme der Landesregierung. Einzelne Branchen verzeichneten Umsatzeinbrüche von bis zu 70 Prozent. Sollte die befürchtete Insolvenzwelle im Einzelhandel eintreten, würde dieses einen massiven Verlust an Beschäftigungsverhältnissen und auch eine Verödung der Innenstädte bedeuten. "Der Wunsch nach Zulassung von Sonntagsöffnungen des Einzelhandels ist insofern nachvollziehbar – zusätzliche verkaufsoffene Sonntage böten die Chance, die coronabedingten, erheblichen Umsatzeinbrüche wenigstens ein Stück weit nachzuholen", sind sich Wirtschafts- und Sozialministerium sicher.
Ergebnis nur im Konsens möglich
Bisher würden die Beantragungen von Sonntagsöffnungen meist unter Bezugnahme auf besondere Anlässe erfolgen, die es in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie aber voraussichtlich nicht geben werde. Daher hätten Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und Sozialministerin Carola Reimann einen Runden Tisch zur Sonntagsöffnung initiiert. Denn ein Ergebnis könne nur im Konsens aller Beteiligten erzielt werden. Ebenso könnten die im Grundgesetz getroffenen Regelungen zum Sonn- und Feiertagsschutz nicht außer Kraft gesetzt werden. Dies bedeutet, dass das Vorhaben von dem Wohlwollen aller Beteiligten abhängig ist. Die Gewerkschaft ver.di hatte bereits Anfang des Jahres einen verkaufsoffenen Sonntag in Braunschweig per Gerichtsbeschluss verhindern lassen (regionalHeute.de berichtete). Und auch jetzt möchte man die Pläne nicht mittragen.
„Die Verkäuferinnen müssen viel aushalten: Totalüberlastung bei den Lebensmitteln und in den Baumärkten mit bestenfalls marginalem Gesundheitsschutz im Lockdown, Kurzarbeit (ohne Aufstockung für die meisten) und jetzt drohende Arbeitsplatzverluste. Und da fallen dem Einzelhandelsverband, dem Wirtschaftsminister und den OBs nichts Besseres ein, als die Kolleginnen auch noch sonntags arbeiten zu lassen“, kritisiert Sebastian Wertmüller, Geschäftsführer des ver.di Bezirks Süd-Ost-Niedersachsen in einer Pressemitteilung. Aus langer Erfahrung wisse man, dass Sonntagsöffnungen keine neue Kaufkraft erzeugten, sondern nur mehr Belastungen für die Beschäftigten. Das sei nicht fair. Kornelia Jung, zuständige Sekretärin von ver.di: „Wir reden hier überwiegend von Frauen in Teilzeit mit Familien, für die jeder Sonntag zur Erholung und für deren Kinder wichtig ist!“
"Mehr Attraktivität statt Sonntagsarbeit"
Sebastian Wertmüller bestätigt, dass der stationäre Einzelhandel unbedingt belebt werden müsse: Dazu brauche es aber keine Sonntagsarbeit, sondern mehr Kaufkraft und mehr Attraktivität. „Können der Verband und die Wirtschaftsförderer der Städte nicht den Einzelhandel beraten: Kundenfreundliches Einkaufen – auch mit Maske? Kampagne ‚Sicheres shoppen‘, oder ähnliches?“ Die Probleme des Handels seien fehlende Kaufkraft, Angst vor der wirtschaftlichen Zukunft und Befürchtungen wegen Corona. Bei diesen Themen sei ver.di gerne zu gemeinsamen Initiativen bereit. Bei zusätzlichen Belastungen für die Verkäuferinnen mit ihren geringen Gehältern aber nicht!", so Wertmüller abschließend.
"ver.di stellt sich gegen die Arbeitnehmer"
Die CDU im Niedersächsischen Landtag kritisiert diese Blockadehaltung. "Niedersachsens Wirtschaft und damit auch der Einzelhandel befinden sich in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Unser Wirtschaftsminister Bernd Althusmann unternimmt die größtmöglichen Anstrengungen, um die Arbeitsplätze der Menschen in Niedersachsen zu retten. Und die Gewerkschaft ver.di mauert, blockiert und scheint das Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze ihrer Mitglieder verloren zu haben", so der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer. "Es stimmt uns traurig und macht uns ein Stück weit ratlos, warum ver.di sich gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt, während wir in der Politik unser Möglichstes tun, um die soziale Sicherheit der Menschen in der Krise zu gewährleisten."
mehr News aus der Region