Region. Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko für Schüler und Lehrkräfte? Können die in Schulen eingesetzten Maßnahmen Infektionen wirksam verhindern? Inwiefern tragen Schulen zum allgemeinen Infektionsgeschehen bei? Das sind Fragen, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie immer wieder aufkamen und auf die es bislang keine eindeutigen und umfassenden Antworten gab. Unter Federführung des HZI wurde nun in Kooperation mit der Universität Köln eine Sstudie veröffentlicht, in der die Forschenden deutschlandweit SARS-CoV-2-Infektionsmeldedaten zusammentrugen und analysierten. Das berichtet das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in einer Mitteilung.
„Wir haben Daten, die durch Gesundheitsämter, Schulbehörden sowie die Statistikkommission der Kultusministerkonferenz im Zeitraum März 2020 bis April 2022 erhoben wurden, zusammengeführt, um Infektions- und Übertragungsrisiken zu bestimmen und besser zu verstehen, ob und wie sich Kontakte innerhalb der Schule auf das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung auswirken“, sagt Dr. Berit Lange, Leiterin der Klinischen Epidemiologie am HZI und Koordinatorin der Studie.
Gutes Zusammenspiel
„Eine der größten Herausforderungen war das Zusammentragen und Aufbereiten der unterschiedlichen Datensätze für unsere Analysen. Für die Teilnahmebereitschaft und das Engagement der datenbereitstellenden Gesundheitsämter während der noch laufenden Pandemie sind wir sehr dankbar“, sagt Torben Heinsohn, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klinischen Epidemiologie in der Abteilung Epidemiologie am HZI und mit Berit Lange gemeinsamer Erstautor der veröffentlichten Studie. „Mit unserer Studie konnten wir das Potenzial einer engen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Schul- und Gesundheitsbehörden aufzeigen. Wir hoffen, dass dies auch zukünftigen Kollaborationen den Weg ebnet.“
Lehrkräfte mit besonders hohem Risiko
Die Ergebnisse des ersten Teils der Datenanalyse hätten im Verlauf der zweiten und bis zum Beginn der dritten Infektionswelle – das war zwischen Ende 2020 und Anfang 2021 – gezeigt, dass Lehrkräfte in vielen Bundesländern ein höheres Infektionsrisiko hatten als die Allgemeinbevölkerung der entsprechenden Altersgruppe. „Mit den Impfungen der Lehrkräfte nahm das Risiko dann aber ab“, sagt Lange. „Im Vergleich blieb es dennoch etwas erhöht, was wahrscheinlich auch damit zusammenhing, dass Lehrkräfte vermehrt getestet und so auch mehr Fälle nachgewiesen wurden.“
Mehr Infektionen bei älteren Schülern
Bei den Schülern habe sich dagegen ein umgekehrtes Bild gezeigt. Ende 2020 bis Anfang 2021 hatten sie zunächst ein ähnlich hohes Risiko wie die Allgemeinbevölkerung, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Danach ist es gestiegen. „Hinter diesem Anstieg stehen vermutlich zwei Effekte: Zum einen konnten durch das vermehrte Testen innerhalb der Schulen sicherlich mehr Fälle aufgedeckt werden. Zum anderen nahm durch die Impfkampagne gleichzeitig auch die Immunität innerhalb der erwachsenen Bevölkerung zu. Für die Altersklassen der meisten Schüler war aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Impfung verfügbar“, sagt Lange. Das Forschungsteam habe weiterhin zeigen können, dass das Infektionsrisiko mit dem Alter der Schüler zunahm.
Ein zweiter Fokus der Studie lag auf der Ermittlung der Übertragungsrisiken. „Dabei haben wir sowohl das Schulumfeld als auch das Haushaltsumfeld über verschiedene Phasen der Pandemie analysiert und gesehen, dass das Infektionsrisiko bei Kontaktpersonen im Haushaltsumfeld mit dem Aufkommen der SARS-CoV-2-Varianten mit höherem Transmissionsrisiko deutlich stärker angestiegen ist als im Schulumfeld“, sagt Heinsohn. „Vermutlich spielten hier Maßnahmen wie Maskentragen, Verkleinerung von Lerngruppen und Fernunterricht sowie das Testregime an Schulen eine Rolle – was im eigenen Haushalt ja in der Regel keine Anwendung fand.“
Weniger Infektionen bei Maskenpflicht
Um die Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen in Schulen einzuschätzen, haben die Forschenden mithilfe einer multivariablen Analyse untersucht, wie sich das Infektionsrisiko zwei Wochen nach Beginn einer Maßnahme veränderte. Dafür haben sie die jeweils aktuelle Inzidenz zugrunde gelegt und unterschiedliche Parameter wie etwa das derzeitige allgemeine Infektionsrisiko, die Impfquote innerhalb der Bevölkerung, Test- und Maskenpflichten an Schulen in ihre Berechnungen einbezogen. „Die Analysedaten zeigen deutlich, dass in den Regionen mit Maskenpflicht die Infektionsrisiken an den Schulen niedriger waren. Und auch die Impfquote in der Bevölkerung hatte einen positiven Einfluss auf Infektionsrisiken an Schulen“, sagt Lange. Eine weitere Frage, der das Forschungsteam nachging: Welchen Beitrag haben Schulen am Infektionsgeschehen in der Bevölkerung? Dafür nutzten sie Modellrechnungen und zeigten, dass der Beitrag der Schulen im Zeitverlauf stark schwankt. „Nach unseren Simulationen waren bei geöffneten Schulen zum Höhepunkt der BA1/BA2-Welle bis zu 20 Prozent der Infektionen in der Bevölkerung durch Kontakte in der Schule begründet. Zu anderen Zeitpunkten war dies deutlich weniger“, erklärt Lange. „In unsere Berechnungen haben wir sowohl Daten der Schul- und Gesundheitsbehörden als auch die Untererfassung von gemeldeten Fällen einbezogen.“
Masken zeigen Wirkung
Die Ergebnisse der Studie seien auch für die gerade aktualisierte S3-Leitlinie, an der Lange als Expertin mitwirkte, von Bedeutung. Die S3-Leitlinie soll dabei helfen, während der Pandemie das Infektionsrisiko an Schulen zu mindern und einen möglichst sicheren Schulbetrieb zu gewährleisten. „Auch wenn es schwierig ist, aus solchen Beobachtungsstudien einen direkten Wirkzusammenhang abzuleiten, so legen unsere Ergebnisse zusammen mit anderen Studien doch nahe, dass die in der S3-Leitlinie empfohlenen Maßnahmen wie das Maskentragen an Schulen tatsächlich wirksam sind, um Infektionen im schulischen Umfeld zu reduzieren“, sagt Lange. „Für die Zukunft gilt aber auch: Damit solche Studien, entsprechende Modellierungen sowie perspektivisch auch weiterführende Interventionsstudien schneller durchgeführt werden können, ist es notwendig kollaborative Daten- und Studienplattformen aufzubauen, über die wissenschaftliche Partner wie das HZI und Partner des öffentlichen Gesundheitsdienstes Hand in Hand zusammenarbeiten können.“
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