Wenn Gewalt gegen Frauen toleriert wird: Peiner Frauenhaus überlaufen

Nicht Corona ist Schuld an dem Anstieg im Frauenhaus. Vielmehr sind die Gründe in der Gesellschaft zu suchen. Das Peiner Frauenhaus musste bereits 63 Frauen abweisen.

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Symbolbild | Foto: pixabay

Peine. In diesem Jahr mussten bereits 63 Frauen, die nach einem Platz im Peiner Frauenhaus gefragt hatten, abgewiesen werden. Grund dafür ist, dass die Kapazitäten des Hauses einfach ausgelastet sind. Doch wieso kommt es zu einem solchen starken Anstieg der Anfragen? regionalHeute.de ging der Sache nach.


Über 19 Betten verteilt auf acht Zimmer verfügt das Peiner Frauenhaus derzeit, was in etwa einer Platzkapazität von acht Frauen mit elf Kindern entspricht, wie Nicole Reinert, stellvertretende Vorsitzende des Peiner Frauenhaus gegenüber unserer Onlinezeitung berichtet. Mit Corona habe die gesteigerte Nachfrage jedoch wenig zu tun. Als Ursache für den Anstieg von Gewalt gegen Frauen sei Corona zu kurz gegriffen, denn bereits seit Jahren seien die Anfragen gestiegen. Lediglich einen Anstieg der Beratungsanfragen während der Corona-Krise kann verzeichnet werden, nicht jedoch der Aufnahmeanfragen insgesamt. Doch wie kommt es zu einem solchen Anstieg?

Die Gründe dafür seien vielschichtig und pauschal nicht zu beantworten, so Reinert weiter. "Letztendlich sind die Ursachen in einer Gesellschaft zu finden, welche Gewalt gegen Frauen toleriert, bagatellisiert oder negiert." Ebenso kommt die Gewalt gegen Frauen in allen gesellschaftlichen Schichten vor. Dabei können Arbeitslosigkeit, Existenzängste, Drogen- und Alkoholsucht, finanzielle Probleme, mangelnde Zukunftsperspektiven, räumliche Enge die Gewalt zwar begünstigen, dennoch sei diese immer auch ein Ausdruck dessen, was gesellschaftlich akzeptiert werde. "Die Corona-Pandemie begünstigt natürlich jene Faktoren, welche als ursächlich von Gewalt angesehen werden, weshalb wir auch an einen Anstieg glauben", so Reinert. Doch auch schon vor Corona hätten in den letzten fünf Jahren immer Frauen abgewiesen werden müssen, da die Nachfrage angestiegen sei.

Eine Erweiterung könnte helfen


Im Rahmen des Bundesinvestitionsprogrammes "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" plant das Frauenhaus nun einen Antrag zu stellen, um eine Erweiterung vorzunehmen. Da hierzu Eigenmittel erforderlich sind, habe das Frauenhaus auch beim Landkreis Peine einen Antrag auf einen Zuschuss gestellt, welcher im Ausschuss für Gleichstellung, Arbeit und Soziales befürwortet wurde.

Doch bis es soweit ist, müssen sich Frauen, die nach Hilfe suchen, nicht alleingelassen fühlen, denn das Frauenhaus arbeitet nach dem Motto "Keine Frau wird ohne Hilfe abgewiesen". "Wir versuchen die Frauen grundsätzlich zu beraten und weiter zu vermitteln und die Weitervermittlung zu begleiten. Hierbei hilft uns, das durch das Land Niedersachsen zur Verfügung gestellte Ampelsystem, in welchem Platzkapaziäten in niedersächsischen Frauenhäusern abgefragt werden können, aber auch, dass die Frauenhäuser regional vernetzt sind", erklärt Reinert.

Doch auch dort sind die Kapazitäten endlich. Wenn alle Ampeln auf rot stehen, werde versucht bundesweit zu vermitteln. So sei bei 74 nicht zustande gekommenen Aufnahmen im Jahr 2019 eine begleitete Weitervermittlung nicht immer möglich gewesen. "Was dann mit den Frauen passiert, entzieht sich zum Teil unserer Erkenntnis. Wir können nur hoffen, dass die Frauen mit ihren Kindern einen anderen Platz gefunden haben, aber die Vermutung, dass sie zunächst in der von Gewalt geprägten Lebenssituation ausharren müssen liegt nahe und ist auch für uns Mitarbeiterinnen schwer erträglich", so Reinert abschließend. Durch die Erweiterung des Frauenhauses könnte dies in Zukunft weiteren Frauen erspart bleiben.

So sieht die Lage bei weiteren Frauenhäusern in der Region aus:

Auch ohne Corona: Anfragen an Frauenhäuser steigen stetig


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