Wer trägt die Verantwortung, wenn Heimbewohner verschwinden?

Darüber, was manche Senioren antreibt, mitten in der Nacht ihr Heim zu verlassen, kann man nur spekulieren. Raum für Spekulationen wirft auch immer wieder die Frage nach der Schuld auf.

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Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Pixabay

Region. Leider kommt es immer wieder vor, dass sich Bewohner aus Pflegeeinrichtungen entfernen, nicht selbstständig zurückfinden und tagelang vermisst werden. Oft finden groß angelegte Suchen statt, die nicht selten ein trauriges Ende nehmen.



Darüber, was manche Senioren antreibt, mitten in der Nacht ihr Heim zu verlassen, kann man nur spekulieren. Raum für Spekulationen wirft auch immer wieder die Frage nach der Schuld auf, wenn ein Heimbewohner scheinbar spurlos verschwindet und später verletzt oder gar tot aufgefunden wird. Dabei wird die Verantwortung schnell bei der Einrichtung gesucht. Sie haben schließlich dafür Sorge zu tragen, dass den Bewohnern nichts geschieht und haben ihre Aufsichtspflicht verletzt, wenn dann doch etwas passiert. Oder? Die Antwort hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung.

Fürsorgepflicht ja, aufsichtspflichtig nein


Auf Nachfrage von regionalHeute.de macht das Ministerium deutlich, dass eine Einrichtung laut Niedersächsischem Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG) zwar dafür sorgen muss, dass die Sicherheit der Bewohner gewährleistet wird und sich auch Schutzpflichten aus zwischen der Einrichtung und dem Bewohner geschlossenen Heimvertrag ergeben können, diese aber seitens der Pflegeeinrichtung nur im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren bestehen würden.


Aufsichtspflichtig seien Einrichtungen ihren Bewohnern gegenüber jedoch nicht. Dies würde auch dem Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen, heißt es aus dem Ministerium. Besagtes Gesetz regelt nämlich ganz klar, dass Heimbetreiber Bewohnern eine angemessene und individuelle Lebensgestaltung ermöglichen müssen und insbesondere die Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung sowie Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben innerhalb und außerhalb von Einrichtungen wahren und fördern müssen. Nur in Einzelfällen, nämlich dann, wenn eine erhöhte Pflegebedürftigkeit besteht und es eindeutige Hinweise auf eine drohende Fremd- oder insbesondere Selbstgefährdung gibt, dürfe der Heimträger die Fürsorgepflicht über die Selbstbestimmungs- und Persönlichkeitsrechte des Bewohners stellen. "Nur in einem solchen Fall sind die Beschäftigten der Einrichtungen gegebenenfalls berechtigt und möglicherweise auch verpflichtet, diese zurückzuhalten", macht das Ministerium deutlich.


"Wegsperren" ist nicht


Liegt diese Gefährdung jedoch nicht vor, könnte der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt werden, wenn nicht ein ausdrücklicher Beschluss des Betreuungsgerichts zur Unterbringung wie Aufenthaltsbestimmung oder Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen - beispielsweise in Form gezogener Bettgitter - vorliegt. Bewohner, bei denen kein Beschluss für besondere Maßnahmen vorliegt, sind also jederzeit frei in ihrer Entscheidung über ihren Aufenthalt zu bestimmen.

In die Pflicht kann eine Einrichtung also nicht genommen werden, wenn ein Bewohner das Heim verlässt und im späteren Verlauf verunglückt. Es sei denn, die Einrichtung hat den Bewohner trotz vorliegender und wahrgenommener Fremd- oder Selbstgefährdung nicht am Verlassen der Einrichtung gehindert. Fälle, in denen Einrichtungen in Regress genommen wurden, seien dem Ministerium jedoch nicht bekannt.


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