Region. Der Fall eines mutmaßlichen Kinderschänders, der in Berlin wegen Überlastung der Gerichte wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Wir wollten wissen, ob solch ein Szenario auch bei uns denkbar wäre und wie es an unseren Gerichten aussieht?
Die Antwort hat für uns Hans-Christian Rümke, stellvertretender Pressesprecher am niedersächsischen Justizministerium. Er sagt, von einer Überlastung der Gerichte in der Region könne keine Rede sein. "Die Gerichte im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig sind zwar be- aber nicht überlastet", betont er und legt auf unsere Bitte hin einige Zahlen vor.
Beim Amtsgericht Braunschweig seien laut Rümke im Jahr 2019 2.554 Strafverfahren eingegangen, insgesamt habe das Gericht 2019 2.603 Verfahren erledigt. Was bedeute, dass auch noch einige Verfahren aus dem Vorjahr 2018 abgearbeitet wurden. Auch im ersten Halbjahr 2020 seien die Zahlen laut Rümke stabil: 1.059 neue Strafverfahren seien bisher eingegangen, 1.021 Verfahren erledigt worden.
Beim Landgericht Braunschweig – erstinstanzlich zuständig für mittlere und schwere Kriminalität – zeigt sich ein ähnliches Bild: 2019 seien insgesamt 118 neue Verfahren eingegangen, 123 Verfahren wurden erledigt. Also auch hier wurden Fälle aus dem Vorjahr verhandelt. Im ersten Halbjahr 2020 seien laut Rümke 54 Verfahren anhängig geworden, 43 sind erledigt.
Mutmaßlicher Kinderschänder auf freiem Fuß
In Berlin wurde kürzlich eine mutmaßlicher Kinderschänder - dem Mann werden Kindesmissbrauch in 50 Fällen und der Besitz von kinderpornografischen Bildern vorgeworfen - auf freien Fuß gesetzt, weil aufgrund der Gerichtsüberlastung kein Prozesstermin gefunden werden konnte. Wie so etwas sein kann, erklärt Rümke ebenfalls.
"Wird jemand in Deutschland in Untersuchungshaft genommen, ihm also aufgrund eines (dringenden) Tatverdachts einer Straftat die Freiheit entzogen, sind Verfahren besonders zu beschleunigen. Ohne ganz gewichtige Gründe darf niemand mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft genommen werden, ohne dass nicht spätestens nach Ablauf dieser Frist die Hauptverhandlung vor einem Strafgericht beginnt", so Rümke.
Die Justiz muss Abläufe deshalb besonders beschleunigen.
"Kann die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nicht binnen sechs Monaten abschließen und das Gericht bis dahin das Verfahren nicht eröffnen, müssen die Akten zur Prüfung dem zuständigen Oberlandesgericht vorgelegt werden. Nur ausnahmsweise werden Haftbefehle dann über diesen Zeitraum hinaus aufrecht erhalten. Wird ein Haftbefehl nach Ablauf dieser Frist aufgehoben bedeutet dies nicht, dass der Beschuldigte bzw. Angeklagte dann nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Allerdings wäre es möglich, dass sich ein Betroffener bei einer Entlassung aus der Untersuchungshaft dem Verfahren entzieht", erklärt Rümke und fügt an, dass es an den Gerichten im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig 2019 und 2020 keine Aufhebungen von Haftbefehlen wegen Überschreitung der 6-Monatsfrist gab.
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