Region. Die deutschen HNO-Ärzte sind in Aufruhr. Anfang des Jahres seien die Erstattungsbeträge für Operationen an Kindern erneut gekürzt worden. Als Konsequenz haben der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BVHNO) sowie die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf und Hals-Chirurgie (DGHNO) zu einem Operations-Stopp aufgerufen.
Besonders für Eltern kleiner Kinder ist dieser Konflikt ein großes Problem. Der Bedarf an Operationen wegen vergrößerter Rachenmandeln (Polypen), vergrößerter Gaumenmandel oder häufige Mittelohrentzündungen wegen eines Paukenergusses ist hoch. Mittels einer Adenotomie mit Paukenröhrchen oder einer Tonsillotomie können diese Probleme normalerweise behoben werden. Allerdings kommt es oft zu monatelangen Wartezeiten, dadurch drohen Entwicklungsstörungen, da die Symptome eine verminderte Hörfähigkeiten zur Folge haben können. So ist auch der Spracherwerb eingeschränkt.
Ärzte nehmen keine Termine mehr an
"Durch die jahrelange Unterfinanzierung des ambulanten Operierens ist es im gesamten Bundesgebiet zu einem eklatanten Versorgungsnotstand mit monatelangen Wartezeiten auf dringend benötigte Operationen bei kleinen Kindern gekommen", erklären die Präsidenten der Verbände, Priv.-Doz. Dr. Jan Löhler und Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius in einer Presseerklärung. Hinzu käme nun noch die Kürzung in diesem Bereich. Es bliebe den Ärzten also nichts anderes übrig, als mit einem Aussetzen der Operationen auf die katastrophale Lage aufmerksam zu machen und die Verantwortlichen zum Handeln zu bewegen.
Die Ärzte fordern eine bessere Bezahlung für die notwendigen OPs und nehmen dafür Krankenkassen und Politik in die Pflicht. Der Verbandspräsident Dr. Jan Löhler hat deswegen auch eine Online-Petition auf change.org ins Leben gerufen. Sie soll ein Zeichen setzen, um die Akteure zum Handeln zu bewegen. Diese hat (Stand: 29. März) bereits über 37.000 der benötigten 50.000 Unterschriften erhalten. Hier kann man sich beteiligen und unterzeichnen: Petition - Appell an Politiker und Krankenkassen
Krankenkassen zahlen zu wenig
Derzeit erhielten Ärzte für eine Adenotomie mit Paukendrainage nur rund 107 Euro. Für eine Tonsillotomie würden die Kassen circa 174 Euro zahlen. Dies sei jedoch nicht das ärztliche Honorar. Von den Beträgen müssten alle Kosten (OP-Miete, OP-Assistenz, Sterilisation der Instrumente, Wartung der OP-Technik, Versicherung sowie die Aufklärung vor der OP und die Rufbereitschaft nach dem Eingriff) bezahlt werden. Nach Abzug aller Kosten bliebe den Ärzten oft nur ein geringes Honorar von 10 bis 20 Euro für eine Operation (vor Abzug von Steuern und Versicherung). Bei ungünstigen Rahmenbedingungen, wie einer hohen Miete für den OP-Saal, sei eine Kinder-Operation für die Ärzte sogar ein Verlustgeschäft. Sie würden dann mehr für alle mit dem Eingriff verbundenen Kosten zahlen als sie von der Krankenkasse erhalten. So erklären die Ärzte die Missstände in der Petition.
Stimmen aus der Politik
regionalHeute.de hat den Braunschweiger Bundestagsabgeordneten und SPD-Gesundheitspolitiker Dr. Christos Pantazis angefragt, was die Politik unternimmt, um gegen die Probleme in der Kindermedizin vorzugehen. Dieser gab ein entsprechendes Statement ab.
Dr. Pantazis: "Für mich als Mediziner und als Vater von Zwillingen sind die Fragen der Kinderversorgung von besonderen Bedeutung. Die Fortschrittskoalition ist mit dem Ziel angetreten, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zukunftsweisend, qualitätsorientiert und bedarfsgerecht aufzustellen."
Man habe die Verwerfungen wie die Unterfinanzierung und den konstanten ökonomischen Druck auf die Akteure im Gesundheitswesen in den Blick genommen und insbesondere die Versorgung der Kinder und Jugendlichen bereits aktiv in den Fokus gerückt. Themen seien dabei das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, das die Versorgung mit Kindermedikamenten verbessert.
Allerdings plane man auch, die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen und die im Bereich der niedergelassenen Kinder- und Jugendmedizin geltenden Budgets abzuschaffen. "Damit entschärfen wir entscheidend den Kostendruck in den kinderärztlichen Praxen und sorgen dafür, dass es zukünftig keine Honorarminderungen beziehungsweise Begrenzungen für Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin im ambulanten Bereich geben wird. Wir verbessern die Versorgungsqualität nachhaltig und vermeiden die aktuell langen Wartezeiten für die Jüngsten unserer Gesellschaft", so Pantazis weiter.
Diese Abkehr von Budgets in der Kinder- und Jugendmedizin stelle einen wichtigen Baustein zu einer Entökonomisierung des Gesundheitssystems dar. Ziel sei es, die Balance zwischen Ökonomie und Medizin wieder herzustellen. Alle erbrachten pädiatrischen Leistungen würden so vollumfänglich und nicht nur noch anteilig vergütet werden. So soll die Rolle der Kinder- und Jugendärzte gestärkt und eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen erreicht werden.
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