Erkerode. Unsere Redaktion erreichte eine Pressemitteilung des Männergesangvereins Erkerode von 1866, die an dieser Stelle ungekürzt und unkommentiert veröffentlicht wird.
Der älteste noch bestehende Verein in der kleinen Ortschaft am westlichen Elmrand ist der Männergesangverein, der bei vielen Gelegenheiten seinen Chorgesang zu Gehör bringt und damit viele Menschen erfreut.
Seine Gründung verdankt der Gesangverein dem Pastor Gustav Stutzer, der am 18. März 1866 sein kirchliches Amt in Erkerode übernommen hat. Damals zählte das kleine Dorf etwa 250 Einwohner (heute ungefähr 630), die sich hauptsächlich vom Ackerbau und von Wald- und Steinbrucharbeiten gut ernährten. Oft zitiert, beschreibt Stutzer diesen ganz besonderen Menschenschlag als „verschlossen, untereinander streitsüchtig, aber fleißig bei der Arbeit und beim Glase“. Wie in seinen sehr interessanten Lebenserinnerungen zu lesen ist, wollte Stutzer in Erkerode für mehr Abwechslung bei den Freizeitaktivitäten unter den jungen männlichen Personen sorgen. Immer wieder gab es Streitereien in vielen Häusern, weil viele Männer und erwachsene Söhne am Kartentisch saßen. Seiner Meinung nach sollte wenigstens an einem Abend in der Woche durch die Chorproben eine schönere Unterhaltung angeboten werden als das Kartenspielen oder Spinnstubenlaufen. So wurde aus dieser fürsorglichen Überlegung des neuen Seelsorgers schon kurze Zeit nach Amtseinführung der Männergesangverein Erkerode gegründet. Genau datieren läßt sich die Einrichtung des Gesangvereins nicht. Stutzer nennt aber den Zeitraum nach dem Ende des Krieges zwischen Preußen und Österreich von 1866, also nach dem 3. Juli dieses Jahres als die Schlacht bei Königgrätz endete. So fanden die ersten Chorproben abends von acht bis zehn Uhr in dem großen Kinderzimmer des Pfarrhauses der Familie Stutzer statt. Viele Stimmen der Sänger waren so gut, dass diese nach Stutzers Empfinden es wert gewesen wären, weiter ausgebildet zu werden. Nach einem halben Jahr gab es bereits das erste Konzert im Dorfe, welches von der Bevölkerung positiv aufgenommen wurde und nach Stutzers Meinung als gelungen bewertet wurde.
Es entwickelte sich schnell ein blühender Verein, in dem Musik und Gesang die Grundlagen der Geselligkeit bildeten. Der Männergesangverein Erkerode hat sich über die so wechselhaften Zeitläufe trotz vieler Krisen und großen Entbehrungen stets der Pflege der Chormusik und des deutschen Liedes verpflichtet gefühlt und durch seine Mitwirkung an öffentlichen und kulturellen Veranstaltungen neben der Pflege des Liedguts auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Einwohner geweckt und gestärkt. Nur während der beiden Weltkriege musste die Vereinstätigkeit unterbrochen werden. Aufzeichnungen aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg sind leider verloren gegangen.
So gibt es nur wenige Zeitzeugen wie den langjährigen Sänger Willi Schnellecke (seit 1919 im Verein), die über die Aktivitäten aus früherer Zeit berichtet haben. Im Jahre 1910 gab es in Erkerode ein großes Sängerfest, an dem Schnellecke zwar noch nicht als Sänger, aber bereits als Schuljunge teilnahm.
Das 60-jährige Stiftungsfest fand am 9. und 10. Mai 1926 statt. Der damalige Dirigent war der Musiker Wilhelm Bosse aus Schöppenstedt, der mit seiner Geige unterm Arm nach jedem Singabend zu Fuß von Erkerode nach Schöppenstedt wanderte. Die 1930er Jahre waren geprägt von zunehmender Ruhelosigkeit als Folge von sozialen und politischen Veränderungen. Dies führte zunächst zu weniger Freude am gemeinsamen Lied bis 1939 mit Beginn des Zweiten Weltkrieges die Vereinstätigkeit vollständig eingestellt werden musste. Doch auch nach den Wirren des Krieges gab es den Wunsch nach gemeinsamen Gesang und schon bald konnte der Verein durch den alten Vorstand wieder seine Tätigkeit aufnehmen. Die erste Wahlversammlung fand am 1. März 1946 statt. In einem Grußwort in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Vereins im Jahr 1966 wird betont, dass es in höchstem Maße erfreulich ist, wenn sich Laien nach der Tagesarbeit in ihrer Freizeit freiwillig zu künstlerischem Schaffen zusammenfinden und durch den Chorgesang eine allgemeine Musikkultur verbreiten. Wie damals so ist auch heute noch das Chorwesen die größte kulturelle Laienorganisation unseres Landes. In einer früheren Vereinssatzung wurde festgelegt, dass sich der Gesangverein einmal wöchentlich zum Singabend trifft, um den Chorgesang und die Geselligkeit zu pflegen. Älteren Einwohnern der Gemeinde Erkerode bringt der Verein auf Wunsch zu Geburtstagen oder Jubiläen ein Ständchen. Bei besonderen Anlässen der Gemeinde und der Kirche wirkt der Gesangverein mit. Außerdem wurde betont, dass der kulturelle Höhepunkt in Erkerode jedes Jahr ein Sängerfest im Sommer war, dass der Verein in guter Freundschaft mit den Gesangvereinen der Nachbargemeinden veranstaltet hat.
Große Verdienste mit seinem unermüdlichen Einsatz um den Verein hat sich der Chormeister Richard Kretzer aus Frellstedt gemacht, der zwischen 1955 bis Ende 1994 die Sänger aus Erkerode dirigierte, entscheidend prägte sowie mit der Bildung einer Chorgemeinschaft mit den Sangesfreunden vom MGV „Eintracht“ Gr. Denkte das Fortbestehen des Männergesangvereins Erkerode im Jahr 1993 ermöglichte. Seine Nachfolger als Chorleiter hießen Horst Obzernings und Elke Bügel, die sich um das Zusammenwachsen beider Gesangvereine verdient gemacht haben und die Chorproben abwechselnd in Gr. Denkte und Erkerode geleitet haben. Seit 2011 leitet der studierte Berufsmusiker Eberhard Christ neben vielen anderen Chören und Gesangvereinen auch die Chorgemeinschaft MGV Erkerode / MGV Gr. Denkte mit großem Engagement. Leider ging in den letzten Jahren die Anzahl der aktiven Sänger deutlich zurück, so dass sich beide Vereine weiterhin bemühen, für jungen Nachwuchs zu sorgen. Heute hat der Verein in Erkerode lediglich 9 aktive Sänger, die meisten davon gehören schon lange dem Verein an.
Zum 150-jährigen Bestehen des Männergesangvereins Erkerode werden wie zu früheren Zeiten benachbarte und befreundete Vereine zum Sängerfest auf dem Festgelände am Sportplatz Lucklum eingeladen. Beginn des feierlichen Nachmittags mit Kaffee und Kuchen ist am 27. August um 15 Uhr. Die Veranstaltung findet im Rahmen des dreitägigen Festes der Freiwilligen Feuerwehr Erkerode/Lucklum statt.
mehr News aus Wolfenbüttel