AWO: "Rassismus-Rüge der Vereinten Nationen berechtigt"




Als „absolut beschämend, aber komplett berechtigt“, empfindet es der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig, Dirk Bitterberg, dass es der Vereinten Nationen bedarf, um deutsche Gerichte auf ihr Versagen hinsichtlich der rassischen Äußerungen Thilo Sarrazins hinzuweisen. Entgegen offizieller juristischer Auffassungen in Deutschland kam der Anti-Rassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen zu dem Schluss, dass Sarrazin rassistische Theorien verbreitete und die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung, die Bevölkerung vor öffentlicher rassistischer Agitation zu schützen, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. „Wir sind sehr auf die Reaktion der Bundesregierung gespannt“, kommentiert Bitterberg, dass die Bundesrepublik nun den Vereinten Nationen innerhalb von 90 Tagen Bericht erstatten muss.

In seinem Urteil verdeutlicht der UN-Ausschuss, dass die öffentlichen Aussagen Sarrazins rassistisch waren und nach der Anti-Rassismus-Konvention der Vereinten Nationen, die Deutschland ratifiziert hat, hätten sanktioniert werden müssten. „Es reicht nicht aus, Rassismus nur auf dem Papier zu bekämpfen. Wir brauchen tatkräftiges Engagement“, fordert Bitterberg. Die Entscheidung der Vereinten Nationen verdeutliche, dass Rassismus nicht als bloße Meinungsäußerung abgetan werden dürfe, sondern als Straftatbestand zu bewerten sei.

Hintergrund waren Äußerungen des damaligen Vorstandsmitglieds der Deutschen Bundesbank, Thilo Sarrazin, in einem Interview mit der Zeitschrift „Lettre International“ im Herbst 2009. Sarrazin hatte sich darin verächtlich und herabwürdigend über Menschen insbesondere mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund geäußert. Nach Erscheinen des Interviews hatte der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) Strafanzeige wegen Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch) und Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch) gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin wurde jedoch von der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt, auch der Widerspruch blieb erfolglos. Daraufhin hatte der TBB eine Beschwerde beim UN-Antirassismus-Ausschuss eingereicht.

Im Hinblick auf den bald beginnenden NSU-Prozess erklärt Bitterberg: „Vielen deutschen Institutionen fehlt nach wie vor die nötige Sensibilität im Umgang mit Rassismus. Dazu gehört auch, alle Möglichkeiten des Strafrechts auszuschöpfen.“


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