Bertelsmann Stiftung: BRICS-Gipfel in Durban - Südafrika kein Vorreiter auf dem Kontinent




Südafrika, in wenigen Tagen Gastgeber des diesjährigen Gip­fels der aufstrebenden BRICS-Staaten, ist kein Modell für nachhaltige Entwicklung auf dem afrika­nischen Kontinent. So kann das Land – anders als etwa Brasilien – bislang noch keine überzeu­genden Erfolge in wichtigen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, soziale Inklusion und Arbeitslo­sigkeit aufweisen. Dagegen holen inzwischen andere afrikanische Staaten auf und werden für die BRICS-Staaten attraktiver. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Vergleichsstudie der BRICS-Staaten durch die deutsche Bertelsmann Stiftung.

So sei es Südafrika zwar gelungen, nach dem Ende des Apartheidregimes die wirtschaftliche Sta­bilität wiederherzustellen, die Staatsverschuldung zu reduzieren und ein bemerkenswertes Wirt­schaftswachstum zu generieren. Doch trotz gezielter massiver Staatsausgaben konnte das Wachstum der letzten Jahre die soziale Schieflage der Gesellschaft nicht effektiv beseitigen. Hauptursache für die extrem hohe soziale Ungleichheit und die strukturelle Arbeitslosigkeit beson­ders unter jungen Menschen, so die Autoren der Studie, ist ein sozial selektives und qualitativ mangelhaftes Bildungssystem. Obwohl die Bildungsausgaben mit 20 Prozent den größten Anteil am südafrikanischen Haushalt ausmachen, konnte das Land bisher nicht zu den anderen BRICS-Staaten aufschließen. Ein Überangebot an niedrig-qualifizierten und ungelernten Arbeitern auf der einen und ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auf der anderen Seite kennzeichnen zurzeit den südafrikanischen Arbeitsmarkt.

Das Wirtschaftswachstum konnte sich zwar mit ca. 3 Prozent im Jahr 2013 dem Vorkrisenniveau wieder annähern. Es basiert jedoch weiterhin auf nicht beschäftigungsintensiven Branchen wie etwa dem Finanzsektor und eröffnet nicht ausreichend Teilhabechancen für die Mehrheit der Be­völkerung. Auch die enorm hohen Kriminalitätsraten, besonders auch bei Gewaltverbrechen, könnten zum Teil mit fehlenden Zukunftsperspektiven von jungen Menschen erklärt werden: Er­schreckende 72 Prozent der Arbeitslosen in Südafrika sind zwischen 15 und 34 Jahre alt und bil­den damit die größte Gruppe innerhalb der 25 Prozent Arbeitslosen im Land. Von den 15 bis 24jährigen Südafrikanern waren 2010 über 50 Prozent ohne Beschäftigung. Die Ländergutachter weisen Südafrika im Vergleich zu Brasilien, Russland, Indien und China die schlechteste Perfor­manz in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik zu. Im Gegensatz zu Brasilien, das ebenfalls mit einer hohen Ungleichheit zu kämpfen hat, ist im Land am Kap bislang keine Trendwende zu ver­zeichnen. Südafrika ist nicht nur innerhalb der BRICS, sondern weltweit nach wie vor eines der Länder mit der höchsten sozialen Ungleichheit.

Auch im Gesundheitsbereich bietet Südafrika eines der negativsten Bilder unter den BRICS Staa­ten: Nur 44,1 Prozent der Gesundheitsausgaben fließen aus der öffentlichen Hand und auf 1.000 Bewohner kommt weniger als ein Arzt – trotz der hohen HIV/AIDS-Infektionsraten. In diesem Zu­sammenhang verweist die Studie besonders auf die geringe durchschnittliche Lebenserwartung in Südafrika als einen besonders markanten Indikator. Im Gegensatz zu den anderen BRICS- und vielen anderen afrikanischen Staaten fiel in den letzten Jahren die Lebenserwartung und konnte seither nur leicht verbessert werden. Sie bleibt mit 53,4 Jahren aktuell noch immer deutlich hinter dem Durchschnitt von Subsahara-Afrika zurück.

Als eines der gravierenden Entwicklungsprobleme attestieren die Gutachter dem politischen Sys­tem große Defizite in der Fähigkeit, Politikvorhaben effektiv umzusetzen. Die größten Schwächen liegen danach bei der Koordination zwischen den Ministerien und den staatlichen Behörden auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen. Die Finanzmittel auf subnationalen Ebenen würden nicht effektiv genug eingesetzt, da die Bürokratien nicht immer über ausreichende Kompetenzen verfü­gen, das zugeteilte Geld sinnvoll für zielführende Projekte auszugeben. Erschwerend wirke sich dabei, so die Autoren der Bertelsmann Stiftung, die wachsende politische Lagerbildung innerhalb des ANC sowie die erheblichen Patronage innerhalb der Partei aus. Auch das hohe Maß an Kor­ruption und Nepotismus beeinträchtige die Reformfähigkeit des Systems.

Derweil holen andere afrikanische Staaten, wie etwa Botswana, Namibia und Nigeria wirtschaftlich auf. Nicht nur China und Indien unterhalten seit langem bilaterale Beziehungen zu den meisten afrikanischen Ländern, sondern auch für Brasilien wird insbesondere das portugiesisch-sprachige Angola als Tor nach Afrika immer interessanter. Ohne weitreichende Reformen im Bildungssystem und im Arbeitsmarkt sei es fraglich, ob Südafrika seine ihm selbst beanspruchte Rolle als Vorreiter auf dem afrikanischen Kontinent zukünftig behaupten könne.


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