Das Bild Polens und seiner Bevölkerung wird in den Augen der Deutschen immer positiver. Drei von vier Deutschen können sich Polen inzwischen gut als Nachbarn, Kollegen oder Mitbewohner vorstellen, eine Mehrheit sogar als deutsche Staatsbürger, Freunde oder Chef. Auf sehr gutem Weg bewerten dabei die deutschen Eliten die Entwicklung von Staat und Wirtschaft beim östlichen Nachbarn. Dies zeigt eine Langzeituntersuchung der deutschen Bertelsmann Stiftung und des Instituts für öffentliche Angelegenheiten in Warschau, die seit dem Jahr 2000 und jetzt zum vierten Mal durchgeführt wurde.
Danach sind alte und verbreitete Vorurteile über Polen langsam auf dem Rückzug. Zwar nennen Deutsche auf die Frage, was sie mit ihren östlichen Nachbarn verbinden, noch immer häufig Begriffe wie „Kriminalität“, „Autodiebstahl“, „Schwarzarbeit“ oder „Ostblock“. Doch überwiegt inzwischen die Zahl der positiven Wahrnehmungen. Vor allem die polnischen Landschaften, erfolgreiche Sportler, Gastfreundschaft und eine funktionierende Wirtschaft treten zunehmend an deren Stelle. Vor allem die den Polen zugeschriebenen Charaktereigenschaften haben seit 2006 eine entschiedene Verbesserung erfahren. Viel häufiger als damals bewerten die Deutschen ihre Nachbarn als freundlich (+33 Prozent), unternehmerisch (+15 Prozent), gebildet (+14 Prozent), modern (+8 Prozent) oder religiös (+7 Prozent). Deutlich weniger Deutsche empfinden Polen heute dagegen als rückständig, schlecht organisiert, verantwortungslos, intolerant, passiv-abwartend oder unfreundlich.
Allerdings verläuft diese Veränderung recht langsam. Sie hat in den letzten Jahren sogar etwas an Dynamik verloren und ist vornehmlich bei den deutschen Eliten zu beobachten. Bei ihnen werden vor allem auch die positive Entwicklung der polnischen Wirtschaft sowie der deutsch-polnischen Beziehungen viel besser als früher bewertet, während im Vergleich dazu in einer breiteren Bevölkerungsschicht Stereotype nur langsam überwunden werden. In der Beliebtheitsskala der Deutschen liegen andere Völker somit noch immer deutlich vor Polen; so etwa die Niederländer, Franzosen, Amerikaner, Briten oder auch Griechen.
Für Cornelius Ochmann, Osteuropa-Experte der Bertelsmann Stiftung, sind diese Erkenntnisse weder sehr überraschend noch enttäuschend: „Man muss dabei berücksichtigen, dass die deutschen Vorurteile gegen Polen schon seit über 250 Jahren bewusst gepflegt wurden, dadurch tief verwurzelt sind und die antipolnische Rhetorik bis in die jüngste Zeit verbreitet war.“
Als Beispiele dafür nennt Ochmann die Publizistik und Medien. So konnte der antipolnische Stereotyp der „Autodiebe“ bei der Erhebung besonders in Westdeutschland festgestellt werden, wo viele Medien dieses Thema in den 90er Jahren fortlaufend forciert hatten. In den ostdeutschen Bundesländern ist die Wahrnehmung der Polen darüber hinaus generell positiver als im Westen. Ein besonders positives Polenbild haben dagegen die Deutschen, die seit 1989 durch Besuche und persönliche Kontakte über eigene Anschauungen und Erfahrungen verfügen. Deutsche, die bereits einmal in Polen waren, beurteilen die nachbarschaftlichen Beziehungen zu 20 Prozent besser als der Durchschnitt.
Als eine der Schlussfolgerungen der Langzeiterhebung fordert die Bertelsmann Stiftung eine bessere Förderung der menschlichen Begegnungen zwischen Polen und Deutschland durch Städtepartnerschaften, Schulbesuche oder im Tourismus. Darüber hinaus verweist Cornelius Ochmann den aufgezeigten Stellenwert der Medien: „Deren Beiträge sind für die gegenseitige Wahrnehmung überhaupt nicht zu unterschätzen und Medienschaffende haben eine ungeheure Verantwortung bei dem Thema.“ Gleichzeitig dürften die deutschen Eliten nicht davon ausgehen, dass sich ihr Bild automatisch und zügig auf breitere Kreise ausweiten wird. Sondern sie müssten selbst aktiv daran arbeiten, Stereotypen abzubauen und ein positives Bild von den Nachbarn im Osten zu befördern. Als probates Mittel dabei schlägt der Osteuropaexperte mehr deutsch-polnische Projekte vor. Auch sportliche Großereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hätten dazu beigetragen. Besonders gut geeignet seien auch Forschungs- und Vermittlungsinitiativen, die sich auf klare Daten, Fakten und Statistiken stützen können.
Die beteiligten Forschungsinstitute sehen in einer positiven gegenseitigen Wahrnehmung der beiden Völker auch eine enorme politische und wirtschaftliche Bedeutung. Cornelius Ochmann: „Der scheinbar ideelle Wert hat tatsächlich eine hohe materielle Bedeutung.“ Weil die psychologische Wahrnehmung besser wird, wächst Polen immer stärker in die EU hinein. Die Partnerschaft mit Deutschland in vielen gemeinsamen Fragen werde somit fester und ist von gegenseitigem Vorteil, besonders wie in der aktuellen Krise. Auch Deutschlands Sicherheit (z.B. vor Kriminalität) werde durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit gefestigt. Und auch die wirtschaftliche Prosperität werde durch reale, persönliche Verbindungen mit einer positiven Wahrnehmung gefördert, wiederum zum Vorteil für beide Seiten. Ochmann: „Wo es zum Beispiel um Geld geht, hat man das bereits klar erkannt.“
Als einen überzeugenden Beleg können die Wissenschaftler auf die parallel durchgeführte Untersuchung über das Russlandbild der Deutschen verweisen. Hier sind die Wahrnehmungen deutlich gemischter. Vor allem werden dabei spontane Assoziationen viel häufiger durch negative Wahrnehmungen wie „Wodka trinken“, „Unterdrückung“, „Diktatur“, „Korruption“ oder „Gewalt“ genannt. Bei fast allen Werten, wie der Frage nach zugeschriebenen Charaktereigenschaften, über die politischen Beziehungen bis zur Wahrnehmung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft verdienen Russland und die Russen in den Augen der Deutschen 30 bis 50 Prozent schlechtere Noten. Die Entwicklung findet ihre Parallele in Politik, Wirtschaft und Medien.
Als generelles Fazit ihrer Studie folgern die Autoren der Studie: „Die Sympathie der Deutschen gilt weiterhin dem Westen. Die Aussöhnungsprozesse mit den Niederländern und Franzosen sind abgeschlossen. Auch die Amerikaner und die Briten gehören zum „westlichen“ Kulturkreis. Der „Süden“ verdient noch nicht diese Aufmerksamkeit und der „Osten“ bleibt weiterhin der unbekannteste Teil der Nachbarschaft der Deutschen.“
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