Bilder auf der Haut: Körper-Kult oder Mode-Macke?

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Wolfenbüttel. Was früher nur Seemännern und Häftlingen vorbehalten war, hat sich inzwischen zu einem richtigen Kult entwickelt. Das Geschäft  mit der Nadel boomt noch immer. Seit den frühen 1990er-Jahren gilt die Tätowierung als Körperschmuck und findet Anhänger in allen Gesellschaftsschichten. 

Der Ursprung der Tätowierung reicht viele tausend Jahre zurück, kann aber keiner speziellen Bevölkerung zugeordnet werden.  Selbst die Gletscher-Mumie "Özi" wies 5000 Jahre alte Malereien auf der Haut auf. Die Bezeichnung "Tätowierung" stammt aber ganz offensichtlich vom polynesischen Wort "Tatau" ab und bedeutet so viel wie "gerade und kunstgerecht".

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Dirk lässt sich von Tom Krull einen Drachen stechen. Foto:



Anfang des 20. Jahrhunderts kennzeichneten Malereien auf der Haut eine bestimmte Gesellschaftsschicht. Häftlinge ließen sich Spinnen, Totenköpfe oder drei Punkte an der Hand einstechen, um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu signalisieren. Und wer kennt nicht die Herzen, Anker und drallen Frauenkörper an den Armen der Seemänner? Inzwischen hat sich die Körper-Malerei zu einem wahren Körper-Kult entwickelt. Ob Banker, Politiker, Hausfrauen oder Schüler - Tätowierungen sind Kult.

Zwei, die das ganz genau wissen, sind Irene und Thomas "Tom" Krull. Ihr Tätowier-Studio "Bizarr Tattoo" existiert seit beinahe 20 Jahren in Wolfenbüttel. Sie haben schon alles gesehen und tätowiert.

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Sarah lässt sich von Tom Krull eine Feder tätowieren. Es ist bereits ihre vierte Tätowierung. Foto:



"Wer sich einmal hat stechen lassen, der kommt in den meisten Fällen auch wieder. Tätowierungen sind auf jeden Fall Kult. Klar, gibt es auch Menschen, die sich tätowieren lassen, weil es gerade "in" ist, oder weil die Freundin auch eins hat. Für die meisten Leute ist es aber eine echte Leidenschaft", erklärt Irene Krull.

Ob nun Leidenschaft, oder Besessenheit. Hat man einmal eines der bunten Bilder auf der Haut, will man mehr. Unter den richtigen "Hardcore-Tattoo-Liebhabern" gibt es wahre Sammelleidenschaften. Die sammeln bestimmte Motive und lassen sich diese, eins nach dem anderen, in einem Sammelsurium unter die Haut bringen. Das sogenannte "Arschgeweih", eine Tätowierung auf dem Steiß, wird hingegen immer seltener gewünscht. Das schien wirklich eine Art Mode-Erscheinung des Tätowierens gewesen zu sein. Schon länger hat man im "Bizarr-Tattoo" keines mehr gestochen. Beliebt sind auch Namen und Daten in fremdländischen Schriftzügen, oder Hand-und Fußabdrücke der Kinder. Voll im Trend sind zurzeit auch "Catrinas". Die mexikanischen Totenkopf-Masken erfreuen sich derzeit größter Beliebtheit und finden sich auf Oberarmen, Waden und Rücken der Liebhaber wieder.

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Rebecca ließ sich einen Phönix auf das Schulterblatt tätowieren. Es symbolisiert das "Wieder aufstehen, niemals aufgeben". Foto:



"Auch Blumen-Motive sind wieder stark im Kommen. Egal, ob Männlein oder Weiblein", so Irene Krull und zeigt einige Werke ihres Mannes. Dabei zeigt sie auch eine kindliche Zeichnung auf dem Arm eines Kunden. "So etwas haben wir auch häufig. Die Kunden lassen sich die selbst gemalten Bilder ihrer Kinder tätowieren. Das finde ich persönlich echt süß. So hat das Bild eine ganz persönliche Bedeutung", so Irene Krull.

Eine Bedeutung haben die bunten und einfarbigen Kunstwerke auf der Haut nicht immer. Für die meisten Menschen ist es einfach eine Art des Körperschmucks. Sie finden die Zeichnungen auf der Haut einfach nur schick. So wie Sarah. Sie hat heute bereits ihr viertes Tattoo von Tom Krull stechen lassen. Diesmal ist es eine Feder, die die Innenseite ihres Oberarms ziert.

Für Tom Krull hat das Tätowieren etwas rituelles. "Gerne würde ich mich einmal von Hand tätowieren lassen. Die Maoris, ein Stamm Neuseelands, haben ihre ganz eigene Art, Bilder auf der Haut zu verewigen", so der Tätowierer. Obwohl schon zahlreiche Bilder den Körper des Tätowierers zieren, kommen immer wieder neue hinzu. Auch er hat einen Tätowierer seines Vertrauens. "Anfangs habe ich es auch selber gemacht. Irgendwo musste ich ja üben", lacht er. Eine anerkannte Ausbildung gibt es für den Beruf des Tätowierers nicht. Hier kommt es auf Talent und Kreativität an.

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Irene und Tom Krull. Das Paar betreibt ihr Tattoo-Studio beinahe 20 Jahre in Wolfenbüttel. Foto:



Wer sich ein Bild auf den Körper stechen lassen möchte, sollte Geduld mitbringen. Die Prozedur dauert in den meisten Fällen recht lange. Kleine Motive können in ein bis zwei Stunden gemacht werden, richtig große Bilder dauern mehrere Stunden. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, wie aufwendig die Motive sind und ob ein-oder mehrfarbig. Tom Krull versucht seine Kunden ein wenig kennen zulernen. "Die persönliche Geschichte eines Menschen ist wichtig. So wird jedes Motiv ganz individuell.

Mit vielen kleinen Nadeln, bis zu 14,  sticht der Tätowierer dann das gewünschte Bild in die ersten zwei Hautschichten. Die Nadeln haben einen Durchmesser von 0,20 bis 0,40 Millimeter. Je nach Motiv und Größe werden verschiedene Nadeln angewandt. Die Maschine wird elektrisch angetrieben, ist klein und handlich.

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Viele Nadeln stechen in die ersten zwei Hautschichten. Foto:



Schmerzhaft ist eine Tätowierung immer. Manche Körperstellen reagieren sensibler auf die Einstiche, als andere. Und es sollte wohl überlegt sein. Schließlich ist es etwas für die Ewigkeit. Kein Klebe-Bildchen, das man wieder abwaschen kann. "Wir achten sehr genau darauf, was unsere Kunden möchten. Und wir machen nur das, was wir auch verantworten können. Einem jungen Menschen würden wir zum Beispiel niemals das Gesicht tätowieren. Damit würde es sich vielleicht einmal den späteren Berufswunsch verbauen. Dann sagen wir ganz rigoros 'nein' ", erklärt Irene Krull.


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