Braunschweig: OB durfte Anträge auf Auskunft und Akteneinsicht nicht wegen unzureichender Begründung ablehnen


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Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssen Ratsmitgliedern in Angelegenheiten der Kommune auf Antrag grundsätzlich umfassend Auskunft und Akteneinsicht gewähren. Die Anträge müssen nicht begründet werden. Dies hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts heute nach einer Verhandlung entschieden. Das Gericht erklärte damit zwei Entscheidungen des Braunschweiger Oberbürgermeisters für rechtswidrig. Dieser hatte der BIBS-Fraktion Akteneinsicht und einem Abgeordneten der Piratenpartei im Stadtrat Auskunft verweigert, weil die Anträge nicht ausreichend begründet seien.

Der Abgeordnete der Piratenpartei hatte vom Oberbürgermeister zunächst die Information verlangt, welche Verträge die Stadt mit einem Münzhändler oder einem seiner Unternehmen geschlossen habe. Nachdem der OB eine Auflistung der Verträge übersandt hatte, beantragte der Abgeordnete, ihm bestimmte Verträge aus der Liste im Wortlaut zu übersenden; damit solle geklärt werden, inwieweit die Stadt ihre Handlungsmöglichkeiten beschränkt habe. Der OB lehnte die Vorlage der Verträge ab und verlangte stattdessen, „konkrete Tatsachenfragen" zu den Verträgen zu stellen; das gesetzliche Auskunftsrecht gebe den Ratsmitgliedern nur einen Anspruch auf Mitteilung von Tatsachen. Die vom Kläger eingeschaltete Kommunalaufsicht beim Niedersächsischen Innenministerium vertrat die Rechtsauffassung, der OB habe mit der Übersendung der Liste seine Auskunftspflicht erfüllt. Der Abgeordnete erhob daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den OB zu verpflichten, den Wortlaut der Verträge mitzuteilen.

In dem zweiten Verfahren ging es um ein von der Fraktion der Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) geltend gemachtes Recht auf Akteneinsicht. Die Fraktion hatte beim OB beantragt, ihrem Vorsitzenden Einsicht in vier Verträge der Stadt über Schenkungen und Mediendienstleistungen zu gewähren, die in der erwähnten Liste aufgeführt waren. Dazu wies die BIBS auf die Kontrollpflicht des Rates hin und machte geltend, die Kontrolle sei geeignet, „Schlamperei, Korruption und Begünstigung der Verwaltung" entgegenzuwirken. Der OB lehnte den Antrag ab, weil es an der „Darlegung eines konkreten Kontrollinteresses" fehle und nicht schlüssig begründet sei, „welche Anhaltspunkte es für die Kontrollnotwendigkeit" gebe. Nachdem die Fraktion Klage erhoben und weitere Ausführungen zu ihrem Antrag auf Akteneinsicht gemacht hatte, erklärte der OB, er sehe den Kontrollzweck nunmehr als hinreichend dargelegt an und werde die Akteneinsicht jetzt ermöglichen. Die BIBS-Fraktion stellte ihre Klage daraufhin um. Sie beantragte festzustellen, dass der OB verpflichtet war, Einsicht in die Verträge zu gewähren.

Die Richterinnen und Richter haben den OB verurteilt, dem Abgeordneten der Piratenpartei den Wortlaut der Verträge mitzuteilen. Außerdem haben sie entschieden, dass der OB der BIBS-Fraktion die Akteneinsicht von vornherein nicht verwehren durfte. Eine Darlegung der Motive oder eine sonstige Begründung habe der OB in beiden Fällen nicht verlangen dürfen. Eine solche Einschränkung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts sehe das Kommunalverfassungsgesetz nicht vor. Dies ergebe sich auch aus der Aufgabe der Ratsmitglieder: Jedes Ratsmitglied habe das Recht und die Pflicht, eigenverantwortlich an den Aufgaben des Rates und der Kommune mitzuwirken. Nur wenn die Ratsmitglieder so umfassend wie möglich unterrichtet sind, können sie diese Aufgaben effektiv erfüllen. Dazu müssen sie selbst darüber entscheiden können, welche Informationen sie für ihre Arbeit benötigen. Darüber hinaus - so das Gericht weiter - könnte der Rat seine umfassende Pflicht, den OB zu überwachen, nicht ausreichend erfüllen, wenn Informationsrechte von der Benennung eines konkreten Anlasses abhingen.



Auskunft und Akteneinsicht dürfe der OB nur in engen Grenzen verweigern. Das sei der Fall, wenn Ratsmitglieder Anträge rechtsmissbräuchlich, nur zum Schein oder ohne Bezug zum Mandat stellen oder wenn die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigt werde. Außerdem bestimme das Gesetz ausdrücklich, dass die Rechte nicht für Angelegenheiten gelten, die der besonderen Geheimhaltung unterliegen. Das sei aber nur dann anzunehmen, wenn die Geheimhaltung speziell vorgeschrieben oder im Einzelfall von der dazu befugten staatlichen Behörde angeordnet sei. Einer dieser Ausnahmefälle liege hier unstreitig nicht vor.



Die umgestellte Klage der BIBS-Fraktion hat das Gericht als zulässig angesehen, obwohl der OB ihrem Antrag auf Akteneinsicht inzwischen stattgegeben hat. Der OB hatte angekündigt, er werde auch künftig Anträge auf Akteneinsicht ablehnen, die nicht hinreichend begründet seien. Das Gericht entschied daher: Die Fraktion habe ein berechtigtes Interesse daran, die grundsätzliche Rechtsfrage vor einem möglichen neuen Konflikt gerichtlich klären zu lassen.



Gegen die beiden Urteile des Verwaltungsgerichts kann die Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg beantragt werden.


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