Corona-Krise und der Alltag in der Apotheke: "Ganz ehrlich – ich vermisse meine Kollegen"

Die Löwen-Apotheke stellt neuerdings auch selbst Desinfektionsmittel her - Laut Inhaberin Kerstin Weber eine Herausforderung.

von Tanja Bischoff


Apothekerin Kerstin Weber stellt in ihrer Löwen-Apotheke Desinfektionsmittel her und berät mit ihrem Team Angstpatienten aller Altersgruppen.
Apothekerin Kerstin Weber stellt in ihrer Löwen-Apotheke Desinfektionsmittel her und berät mit ihrem Team Angstpatienten aller Altersgruppen. | Foto: Tanja Bischoff

Wolfenbüttel. Handdesinfektionsmittel sind aufgrund der Corona-Pandemie schwer zu bekommen. Das Team der Löwen-Apotheke in der Innenstadt stellt dieses rare Gut nun selber her. Apothekerin Kerstin Weber erzählte uns, wie sie die letzten Tage und Wochen erlebt hat.


Seit über 30 Jahren arbeitet Kerstin Weber als Apothekerin und seit 2008 ist sie Inhaberin der Löwen-Apotheke auf der Langen Herzogstraße, direkt in der Innenstadt von Wolfenbüttel. Das Thema ihres dritten Staatsexamens war „Pandemie“. Was damals noch nach einer fernen Theorie klang, ist heute die offenkundige Wirklichkeit. „Was meine Mitarbeiterinnen und ich die letzten Wochen geleistet haben ist schon außergewöhnlich und sehr anstrengend“, betonte die Apothekerin.

Abenteuer Alkohol


Schon die eigene Herstellung der Desinfektionsmittel stellte sich als Herausforderung dar. Diese war den Apotheken bis Anfang März nämlich verboten. Erst danach hat die Bundesstelle für Chemikalien eine befristete Allgemeinverfügung erlassen, welche die Herstellung wieder erlaubt. Doch es gab auch keinen Alkohol mehr, da bereits Notstand herrschte und zuerst die Kliniken und Arztpraxen versorgt werden mussten. Also setzte die Apothekerin sich ans Telefon und fragte bei Brennereien nach.

Bei der Nordhäuser Brennerei wurde sie dann fündig. „Die Fahrt in den Harz war schon aufregend“, erzählte Weber. „Mit einem Feuerlöscher bewaffnet und im Schneckentempo haben mein Mann und ich das hochbrennbare Material transportiert“. Für Alkohol war also gesorgt, doch nun war das benötigte Glyzerol nicht lieferbar. Also wieder der Griff zum Telefon und so kam es zu Tauschgeschäften mit befreundeten Apotheken. Auch für die passenden Behältnisse gab es zwischendurch einen Engpass. Jetzt wird jeden Tag das Handdesinfektionsmittel hergestellt und zum Verkauf angeboten, jedoch mit begrenzter Abgabe pro Haushalt. Auch Atemschutzmasken seien in der Löwenapotheke noch erhältlich. Die Einkaufspreise hierfür haben sich vervielfacht. „Wir geben die Masken im Zweierpack zum Selbstkostenpreis weiter“, so Weber.

Apothekerin gibt Tipps für den Alltag


„Viele Menschen aller Altersgruppen wenden sich mit ihren Ängsten und Fragen an uns“, erzählte uns die Apothekerin. Als vorbeugende Maßnahme rät sie, sich regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife zu waschen, am besten zwei Strophen „Happy Birthday“ singend. Und auch das alltägliche Wechseln und Waschen der Handtücher dürfe dabei nicht vergessen werden. Vitamin C, D und Zink empfiehlt Weber zur Stärkung der Abwehrkräfte.

Das Tragen von Einweghandschuhen beim Einkaufen sei jedoch sinnlos und sollte unterlassen werden. Diese Handschuhe sollten dem Personal der Praxen, Krankenhäusern und Mitarbeitern im Rettungsschutz vorbehalten sein. Zudem dürften sie nicht im normalen Hausmüll entsorgt und erst recht nicht in den Einkaufswagen, Regalen etc. liegen gelassen werden. Beim Tragen von handgenähten Masken sei es wichtig Abstand und Hygienemaßnahmen einzuhalten. Die Masken sollten nach jedem Tragen gewaschen und nach Gebrauch in einem verschlossenen Beutel transportiert werden.

Die Medikamente könnten knapp werden


Weiterhin könnte die Versorgung mit einigen Medikamenten demnächst knapp werden. Vor allem Arzneimittel aus Indien und China sind kaum noch lieferbar. Deswegen, und auch damit Patienten nicht mehrfach zur Apotheke gehen müssen, wurden die Rabattverträge mit den Krankenkassen vorübergehend ausgesetzt. Somit dürfen nun auch Medikamente von anderen Herstellern weitergegeben werden, sofern die Wirkstoffe die Gleichen sind. „Zumindest dies ist eine Verbesserung, die ich mir auch für die Zeit nach der Pandemie wünsche“, betonte Weber.

Gegenseitige Unterstützung


Bereits Ende Februar begann Weber mit der Schulung ihrer Mitarbeiter und stand auch anderen Apotheken, welche von den Ereignissen überrollt wurden, mit Rat und Tat zur Seite. „Wir haben bereits Anfang März die Plexiglasplatten in unseren Verkaufsräumen anbringen lassen. Dies wurde anfänglich belächelt.“ Die Mitarbeiter arbeiten in zwei Teams im Wechsel, ohne sich zu treffen. Die Öffnungszeiten wurden angepasst, die Mittagspause wird zur Desinfektion der Räume genutzt. Insgesamt wird viermal täglich und zusätzlich nach Bedarf desinfiziert. Alle Urlaube wurden gestrichen, um den Ansturm bewältigen zu können.

„Wir versuchen uns gegenseitig zu motivieren. Über unsere WhatsApp-Gruppe bleiben wir in Kontakt und wir küren regelmäßig unseren Alltagshelden. So halten wir uns bei Laune. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, und ganz ehrlich – ich vermisse meine Kollegen“, so Weber.

Genau wie die vielen kleinen Einzelhändler in Wolfenbüttel haben auch die Apotheken mit der Konkurrenz der Online Anbieter zu kämpfen. „Bitte nutzen Sie unser Serviceangebot. Wir sind ebenfalls telefonisch und per E-Mail für unsere Kunden erreichbar und bieten auf Wunsch eine kontaktlose Lieferung der Medikamente an. Die Innenstadt war die letzten Tage erschreckend leer und ich hoffe sehr, dass unsere Einzelhändler diese schwere Zeit gut überstehen und die Innenstadt sich wieder mit Leben füllt“, so der Wunsch für die Zukunft von Kerstin Weber und ihrem Team der Löwen Apotheke.


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