Wolfenbüttel/Braunschweig. Feuer, Unfall oder plötzlicher Schmerz. Es ist immer eine Situation von erschreckender Hilflosigkeit, die uns die drei Tasten auf unserem Telefon drücken lassen, die wir schon von Kindheit an gelernt haben: 1-1-2. Wer der Mensch ist, der den Anruf auf der anderen Seite der Leitung annimmt, ist uns in diesem Moment völlig egal. Wichtig ist nur, dass er versteht, worum es geht und dass er das Telefonat mit den folgenden Worten beendet: "Hilfe ist auf dem Weg“. Was aber passiert in der kurzen Zeit eines Notrufs? Wie wird sichergestellt, dass so schnell wie möglich die richtigen Helfer am richtigen Ort sind? Ein Blick hinter die Kulissen der Einsatzleitstelle.
Tobias Stein ist einer von 85 Disponenten für das Einsatzgebiet Braunschweig-Peine-Wolfenbüttel. In der Region gibt es jährlich rund zweihunderttausend Notrufe, die letztlich zu hundertzwanzigtausend Einsätzen führen. Wie die meisten seiner Kollegen ist Tobias Stein ausgebildeter Rettungsassistent und absolvierte für seine jetzige Aufgabe noch eine sechsmonatige Zusatzausbildung. Als Disponent ist er so etwas wie der Lotse des Blaulichts. Er nimmt nicht nur die Anrufe entgegen, die über die 112 in der Leitstelle ankommen, sondern entscheidet auch, welche und wie viele Einsatzfahrzeuge sich auf den Weg zum Einsatzort machen.
Wenn das Telefon klingelt...
Wenn das Telefon klingelt, ist vor allem eines gefragt – eine enorme Auffassungsgabe. Der Anrufer steckt meist in einer ungewohnten Stresssituation und beschreibt sein Anliegen daher oft ziemlich hektisch. Der Disponent muss schnell und zuverlässig die wichtigsten Informationen heraus filtern. Während er das "Wo“ noch in das System eintippt, hat er das "Wer“ schon in den Ohren und die Frage nach dem "Was“ schon auf den Lippen. Sind diese Daten eingegeben, zeigt ihm der Computer an, welches Einsatzfahrzeug wie weit vom Einsatzort entfernt ist. Nach der Entscheidung, welches Fahrzeug sich auf den Weg machen soll, wird im Anschluss an das Notruf-Gespräch über Funk Kontakt mit dem Einsatzwagen aufgenommen. Hierbei gibt der Disponent noch einmal möglichst knapp und präzise wieder, was das Team am Einsatzort erwartet. Besonders in medizinischen Notfällen spielt der Disponent daher die Rolle eines Dolmetschers, der die oft wirren Beschreibungen der Patienten für das Einsatzteam in exakte medizinische Beschreibungen übersetzt.
Betreuung übers Telefon
Oft ist der Notruf nach der Erfragung der benötigten Informationen aber noch nicht erledigt. Schließlich gibt es auch Situationen, in denen eine Betreuung nötig ist. Ob nun der Patient beruhigt, beraten oder zu einer Reanimation angeleitet werden muss. Der Disponent wird in solchen Fällen zur einer oft lebenswichtigen Hilfe, die zusammen mit dem Patienten die Zeit überbrückt, bis der Rettungswagen eintrifft. Tobias Stein erinnert sich an eine Situation, in der eine Frau in einem Zimmer ihres brennenden Hauses festhing. Die Frau wählte die 112 und machte Stein somit zum ersten Helfer vor Ort – wenn auch nur über das Telefon. Er erklärte ihr, was sie tun könne, um sich zu schützen und beruhigte sie bis endlich die Feuerwehr eintraf, um sie aus dem Zimmer zu befreien. "Solche Momente", so Stein, "bleiben einem im Kopf. Ich meine, ich war noch am Telefon, bis der erste Feuerwehrmann über die Leiter an ihr Fenster kam, um sie aus dem Haus zu holen."
Schicht um Schicht den Überblick behalten
Die Leitstelle in der Feuerwehrstraße in Braunschweig ist nachts mit drei Leuten besetzt, tagsüber mit mindestens doppelt so vielen. Wenn es geht, teilen sich die Disponenten die Anrufe nach den unterschiedlichen Regionen auf, wenn viel los ist, übernimmt einfach jeder, was als nächstes rein kommt. Dann heißt es, den Überblick zu behalten über die vier Bildschirme, die vor jedem der Disponenten stehen und ihm zeigen, welche Wagen der rund 45 Rettungsdienstfahrzeuge der Region im Einsatz sind, wo sie gerade stecken und wo sie hin müssen. Es heißt dann auch den Überblick zu behalten, wer gerade warum Hilfe braucht und vielleicht sogar, wer sie in den nächsten Minuten am nötigsten hat. Es geht darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen und Menschen, die man noch nie zuvor gesprochen hat, in Extremsituationen zu beruhigen, zumindest so lange, bis nach acht Stunden die Ablöse kommt und die nächste Schicht beginnt.
Wer selbst einmal einen Blick in die Leitstelle der Feuerwehr in Braunschweig werfen möchte, der kann das am Tag der offenen Tür am 9. August noch in diesem Jahr tun.
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