In der Ausgabe der “Bild am Sonntag” vom 12. Juni 2011 schreibt Kolumnist Peter Hahne über Lehrer. Sein Beitrag schließt, nachdem Hahne zuvor auf die vermeintlich viele Freizeit der Lehrer angespielt habe, mit folgendem Satz: “Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer …, die den Unterricht nicht als störende Unterbrechung ihrer Freizeit empfinden.”
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL) Josef Kraus hat Peter Hahne dazu folgenden Brief geschrieben:
[image=44771]“Sehr geehrter Herr Hahne,
mit ihren BamS-Pfingst-„Gedanken“ gelingt Ihnen etwas, was eigentlich kaum noch möglich schien. Sie untertunneln mit dieser Kolumne sogar das Niveau eines Gerhard Schröder, für den alle Lehrer „faule Säcke“ sind. Weiter so! Wenn Schüler und Eltern die Schule überhaupt nicht mehr ernstnehmen sollen, dann bitte immer kräftig hinein in diese Kerbe!
Auch auf die Gefahr hin, dass Sie dagegen immun sind, gebe ich Ihnen folgendes zur Kenntnis:
1. Fakt ist: Ein Lehrer, der etwa die Fächer Deutsch und Englisch unterrichtet, korrigiert pro Schuljahr – mehrere Ferienwochen eingeschlossen – ca. 1.000 Stunden. Damit hat er noch keinen Unterricht vorbereitet oder gar gehalten, an keiner Konferenz teilgenommen, keine Klassenfahrt geplant bzw. geleitet und kein Elterngespräch geführt. Aber das können Sie nicht wissen, weil Sie sich lieber an Stammtisch-Klischees anhängen.
2. Vielen Dank auch für einen Arbeitstag für Lehrer von 8 bis 16 Uhr! Für die allermeisten Lehrer wäre dies eine drastische Verkürzung der Arbeitszeit. Die Korrektur von Abschlussklausuren bzw. Klassenarbeiten dauert dann aber so lange wie die Abfassung eines Gerichtsurteils.
Sie sollten einmal Karl Jaspers lesen: „Es ist ein Schicksal des Volkes, welche Lehrer es hervorbringt und wie es seine Lehrer achtet.“ Mit anderen Worten: Mit dieser Kolumne eines Peter Hahne ist keine „Bildungsrepublik“ zu machen.
Im Übrigen bin ich mal gespannt, wann Sie sich andere Berufsgruppen vornehmen. Drei Vorschläge: Ein Pfarrer arbeitet nur, wenn er gerade predigt oder einen Verstorbenen beerdigt. Ein Richter arbeitet nur, wenn er gerade im Gerichtssaal sitzt. Ein Journalist arbeitet nur, wenn er gerade eine Redaktionskonferenz hat.
Mit herzlichen Grüßen
Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL)
P.S.
Ich bin gerne bereit, mit Ihnen in einen Dialog über den Lehrerberuf in Deutschland einzutreten. Vielleicht lesen Sie dazu vorab einmal, was ich in Rundfunk- und anderen Vorträgen über den Lehrer als (glücklichen) Sisyphos gesagt und geschrieben habe.”
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