Region. Das Ei ist aus unserer Ernährung kaum wegzudenken. Nicht nur als Rührei oder gekochtes Frühstücksei gehört es fest in unseren Speiseplan, auch in Nudeln, Kuchen und anderem Gebäck ist das Hühnerprodukt zu finden. Aber woher kriegen wir eigentlich unser Ei? Und ist Bodenhaltung wirklich so schlimm? Können wir unseren Bedarf nicht auch mit anderen Haltungsarten stillen? regionalHeute.de hat sich auf Spurensuche begeben.
Freitagmorgen. Es ist windig am Dorfrand von Fümmelse. Den Hühnern von Landwirt Florian Harms scheint das wenig auszumachen. Es scheint ihnen sogar zu gefallen. Harms bestätigt das: "Hühner mögen es nicht so sehr, wenn die Sonne knallt. Wind und Regen kein Problem, aber Hitze vertragen sie nicht gut." In modernen Großställen könne man Temperatur, Helligkeit und weitere Bedingungen für die gefiederten Nutztiere einstellen, bei Harms geht das jedoch nicht: Seine Hühner leben in Hühnermobilen auf einer Wiese. "Das ist wohl die artgerechteste Haltungsart, die es gibt", erzählt der Bauer.
Das Urhuhn habe am Waldrand gelebt, an der Grenze von Bäumen und Wiese. Zur Futtersuche sei es auf die Wiese gegangen, um Schutz vor Beutegreifern und Wetter zu finden wieder in den Wald. Das könne auch ein Mobilstall simulieren.
Insgesamt besitzt er 470 Hühner, erzählt Harms, aufgeteilt in zwei Herden zu einmal 230 und einmal 240 Hühnern, wobei bei letzterer zehn Hähne in der Herde sind. Das verhindere Ärger unter den Hennen. Insgesamt hätten die Tiere 750 Quadratmeter Platz, aufgeteilt in kleinere Parzellen. Alle zwei Wochen würden die Hühnermobile verschoben, samt Zaun und Unterständen auf der Wiese. Die Eier verkauft Familie Harms im heimischen Hofladen, neben selbstgemachtem Honig. Florian Harms Frau Michelle ist Imkerin. Die Harms betreiben einen konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb, mit viel Platz für die Hühner. Also einfach alle Eier so produzieren?
Es kommt auf den Betrieb an
Nein, glaubt Landtagsvizepräsident und Landwirt Frank Oesterhelweg (CDU). Der Flächenbedarf sei groß, gerade bei großen mobilen Ställen könnte der auf bis zu vier Hektar pro Stall steigen. Die landwirtschaftlichen Flächen dafür seien einfach nicht vorhanden, auch wenn er selbst die Mobilstallhaltung für die tiergerechteste Alternative halte. Immerhin habe er vor einigen Jahren eine letztlich erfolgreiche Initiative gestartet, um den Kauf von Mobilställen zu erleichtern. Auch in Bodenhaltung ginge es den meisten Hühnern gut, glaubt Oesterhelweg. "Es kommt auf den einzelnen Bauern an. Man kann auch im Mobilstall halten und seine Tiere schlecht behandeln." Man dürfe nicht pauschalisieren. Er selbst kenne Kollegen, die Bodenhaltung betrieben. "Auch hier sind die Hühner gesund und glücklich."
Zumal das Ei, das man selbst verarbeite, also meist das sonntägliche Frühstücksei, natürlich in kleineren Betrieben gekauft werde, wie etwa dem von Florian Harms. "Wir müssen aber auch bedenken, dass der Bedarf an Eiern sehr viel größer ist", mahnt Oesterhelweg. Auch in Nudeln, Kuchen und Mayonnaise stecken Eier. Und die könnten nicht alle aus dem Regiomat kommen.
Allein in Niedersachsen wurden laut statistischem Landesamt 2018 4,8 Milliarden Eier von rund 16 Millionen Hühnern für den Endverbraucher produziert, 53 Prozent davon in Bodenhaltung, 22 Prozent aus Freilandhaltung, unter die die Mobilstallhaltung zählt, ebenso wie die klassische Variante aus einem festen Stall. Bodenhaltung und klassische Freilandhaltung haben den Vorteil bei weitem nicht so Platz fordernd zu sein. Außerdem decke Niedersachsen mehr als die Hälfte seines eigenen Eierbedarfs selbst, das dürfe man auch nicht vergessen, so Oesterhelweg. Der wünscht sich vor allem eines für die Diskussion um Tierhaltung: "Weniger Ideologie."
Bauern und Konsumenten sollen aufeinander zugehen
Angesichts von Horrorbildern aus Ställen und immer wieder aufflammenden Diskussionen über Massentierhaltung, sei die Praxis dabei in den Hintergrund geraten, beklagen sowohl Harms als auch Oesterhelweg. Natürlich seien die Bilder fürchterlich, so der CDU-Mann, aber letztlich handele es sich dabei um wenige schwarze Schafe in der großen Masse. "Die Bauern werden in Sippenhaft genommen."
Dabei müssten Verbraucher und Erzeuger wieder mehr miteinander sprechen, die Leute müssten sehen, woher ihre Lebensmittel kommen. Das löse viele Probleme. "Vor 30 bis 40 Jahren, da kannten die Leute noch die Bauern im nächsten Dorf. Heute ist das nicht mehr so." Man müsse dahin zurückkommen. Oesterhelweg kenne keinen Bauern, der Besucher abweisen würde. Dennoch sieht er die Bauern in der Bringschuld, die sich vor anderen verschließen. Wer sich weigere, offen über seine Arbeit zu sprechen, der dürfe sich nicht über Vorurteile wundern.
Das Ei direkt vom Erzeuger
Bei Florian Harms ist diese Transparenz Alltag. Seine mobilen Ställe stehen auf einer Wiese am Ortsausgang Richtung Drütte, der Regiomat direkt davor auf einem Parkplatz. Ständig hielten Spaziergänger an. Wenn er und seine Frau gerade bei den Ställen sind, sei er auch für jedes Gespräch offen. Hier ließen sich schnell Missverständnisse klären. Lücken im Gefieder seien etwa kein Zeichen dafür, dass den Tieren irgendetwas fehle, viel mehr seien sie Folge von Stellungskämpfe innerhalb der Herde. Wenn kein Hahn dabei sei, bestiegen sich die Hennen aus Dominanzverhalten dennoch gegenseitig und verkrallten sich im Gefieder. Dabei entstünden die Lücken.
Florian Harms an seinem Mobilstall. Die Hühner legen ihre Eier in abgedunkelte Familiennester, wann immer sie wollen. Foto: Niklas Eppert
Auch Harms glaubt, dass das Bild über die Landwirtschaft und die Kommunikation zwischen Bauern und Konsumenten sich ändern müsse. "Viele denken bei Bauernhöfen immer noch an den Hahn, der auf dem Misthaufen kräht oder den Stall, bei dem aus jedem Fenster eine Kuh guckt", erzählt der Landwirt. Landwirtschaften seien heute jedoch moderne Wirtschaftsbetriebe, die versuchten Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz miteinander zu verbinden.
Er selbst sehe sich auch als Umweltschützer, auch wenn er keinen Biobetrieb führe. Er achte darauf Blühstreifen anzulegen und seinen Hühnern Abwechslung im Gehege zu bieten. Die meisten seiner Kollegen, da ist Harms sich sicher, denken genauso. Immerhin käme es allen zugute.
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