Region. Es dauert noch bis zum 2.September bis in Niedersachsen die Sommerferien enden, dann packen auch Fünfjährige zum ersten Mal ihre Ranzen. Diese Kinder werden erst nach dem ersten Schultag sechs Jahre alt, allerdings vor dem 30. September, das ist der Stichtag für die Einschulungen. Damit dürfen sie schon losziehen. Doch das hat wohl für einige negative Konsequenzen.
Laut einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München, können wenige Wochen oder Tage zwischen Geburtstag und Stichtag weitreichende Konsequenzen haben. Kinder, die bei der Einschulung sehr jung sind, erhalten demnach häufiger eine ADHS-Diagnose und eine medikamentöse Therapie, als ältere Kinder. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der LMU und des Versorgungsatlas, einer Einrichtung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Die Forscher haben bundesweite und kassenübergreifende ärztliche Abrechnungs- und Arzneiverordnungsdaten von rund sieben Millionen Kindern und Jugendlichen zwischen vier und 14 Jahren aus den Jahren 2008 bis 2011 analysiert. Dabei stellte sich heraus: Von den jüngeren Kinder, erhalten im Laufe der nächsten Schuljahre Jahre 5,3 Prozent eine ADHS-Diagnose. Bei den älteren Kindern sind es nur 4,3 Prozent. Dabei sind in beiden Fällen häufiger Jungen betroffen. „Die Ergebnisse zeigen einen robusten Zusammenhang zwischen der ADHS-Diagnose- und Medikationshäufigkeit und der durch den Geburtsmonat bestimmten relativen Altersposition von Kindern in der Klasse“, erklärt die Erstautorin der Studie, Professor Amelie Wuppermann. Als Ursache wird, vermutet, dass die jüngeren Schüler häufiger eine Diagnose erhalten, da sie im Vergleich mit den Älteren unreifer, impulsiver und eben jünger wirken.
Welche Rolle spielen die Eltern?
Auch die Familiensituation und die Bedingungen in der Klasse würden eine Rolle spielen: „Möglicherweise fällt bei schwierigeren Unterrichtsbedingungen die relative Unreife jüngerer Kinder in der Klasse stärker auf“, sagt Dr. med. Jörg Bätzing-Feigenbaum, Seniorautor und Leiter des Versorgungsatlas. Dazu scheinen Eltern mit einem höheren Bildungsgrad, die Diagnosen zu Beeinflussen. Hier vermuten die Wissenschaftler, dass Eltern mit einem höheren Bildungsgrad mehr auf die Förderung ihrer Kinder achten. Sie würden Nachteile, die durch eine Unreife entstehen würden, wohl weniger in Kauf nehmen.
Forscher raten zum Handeln
„Unsere Studie zeigt, dass die traditionelle Einschulungspolitik, bei der die Schulpflicht an gegebene Stichtage geknüpft wird, die Diagnosehäufigkeit psychischer Erkrankungen bei Kindern beeinflussen kann. Kinder, die quasi gleich alt sind, haben aufgrund der Einschulungspolitik ein unterschiedlich hohes Risiko, eine ADHS-Diagnose zu bekommen“, so die Forscher. Da eine solche Diagnose stigmatisierend sein und die medikamentöse Therapie von ADHS starke Nebenwirkungen haben kann, sollten die neuen Erkenntnisse sowohl von der Politik als auch von den Ärzten bei der Diagnosestellung beachtet werden, empfehlen die Forscher. Im vergangenen Jahr wurden in Niedersachsen rund 70.000 Schüler eingeschult.
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