Schladen. Am vergangenen Sonntag versammelten sich auf Einladung des "Förderkreises Heimathaus Alte Mühle Schladen e. V." Telegraphen-Interessierte am Heimathaus, um an der Einweihung der Informationstafel über die Schladener Station teilzunehmen. Eine Sonderausstellung zu diesem Thema wurde anschließend im Heimathaus mit Sektempfang eröffnet.
Zuvor gab es dazu allerdings Einführungsworte von Initiator und Ersteller der Info-Tafel und der Ausstellung Wilfried Hahn aus Liebenburg. Zu dieser Ausstellung hielt Hahn am Donnerstag beim 1. Winterabend der Saison einen Vortrag über die angewandte Technik der optischen Telegraphie, aufbauend auf den im Februar 2013 gehaltenen Vortrag über den Aufbau und die Organisation der Telegraphen-Linie.
Hahn, der seit 2008 diese Telegrafengeschichte erforscht, wies darauf hin, dass, nachdem die Stationspunkte festgelegt und die Verträge der Übereignung des Grund und Bodens im Mai/Juni 1833 abgeschlossen waren, innerhalb von einem guten Vierteljahr Bauzeit die Fachwerk-Stationsgebäude immer gleichen Bautyp mit Telegraphen schon am 1. Oktober in Betrieb genommen wurden. Bis 1849 wurden Nachrichten zu den Finanzen, der Verwaltung und anderen Staatsdingen übermittelt. Das Hauptinteresse lag aber bei der Sicherheit. Bei Unruhen konnte dadurch sehr schnell Einheiten des Militärs eingreifen. Während des Tages musste Koblenz zu jeder vollen Stunde nach Berlin senden und Berlin sendete zu jeder halben Stunde. Falls es keine Nachrichten gab wurde ein Code für „Nichts Neues“ gesendet.
Mit den sechs Indikatoren, die sogenannten Flügel, waren 4095 Kombinationen möglich. Durch verschiedene Codebücher, in denen ganze Wörter und Textpassgen mit wenigen Zeichen verschlüsselt wurden, waren die Möglichkeiten gewaltig. Dabei lagen die Stationen in Liebenburg und Schladen nicht auf Preußischem Gebiet, sondern im Königreich Hannover. Der Hörerkreis konnte an dem von Hahn eigens für Vorträge konstruierten Telegraphen-Modell mit erleben, wie der Telegraph bedient werden musste. Die Indikatoren konnten nur nach rechts ausgeschwenkt werden. Durch Anbringen von Anschlägen wurde ein Seilbruch vermieden. Auf jedem Steuerbrett waren Ziffern aufgemalt, eine jede zu den möglichen drei Stellungen der Indikatoren, außer der null. Und das in drei Ebenen von unten nach oben mit A – B – C. Von Osten oder von Berlin her gesehen, befand sich die Ziffer 1 dort, wo bei der gewöhnlichen Uhr 1 Uhr angezeigt wird und folgt im Kreise abwärts zur 2 und 3. Die Ziffern 4 bis 6 wurden von Westen her gesehen, mit der 4 unten beginnend, eingestellt. Durch die Beschriftung und die überstehenden von beiden Seiten sichtbaren Steuerhebel, konnte man mit einem Blick, ob von Osten oder von Westen, mit größter Sicherheit entweder die richtige Flügelstellung Einstellen oder Ablesen. Erforderlich war dieses Hilfsmittel der Beschriftung, so machte Hahn sehr eindrucksvoll darauf aufmerksam, dass den Telegraphisten bei ihrem Geschäft nach geraumer Zeit die Orientierung abhandenkommen konnte. Man musste ja ständig beide Seiten der Zeichen im Kopf sortieren, denn die von/nach Berlin standen spiegelbildlich in der Luft gegenüber den von hier nach/von Koblenz transportierten Zeichen.
Außerdem konnte auch die oft gestellte Frage geklärt werden, wie schnell man die einzelnen Zeichen übermitteln konnte. Beim Stellen der Uhren z. B., wurde ein Zeichen über die gesamte Strecke von Berlin aus nach Koblenz geschickt und dieses kam innerhalb von weniger als 30 Sekunden dort an. Dieses entspricht einer Geschwindigkeit von über 70.000 km/h. Der Zeitunterschied auf der Telegraphen-Linie betrug in Folge dessen weniger als 30 Sek..
Seine Forschungen zur Schladener Station, die von 1833 – 1850 gegenüber des Forsthauses auf dem Buchladen stand, waren auch voran gekommen. Durch eine alte Flurkarte von ca. 1970, die durch die Initialen Frau Helge Meinecke zugeordnet werden konnte, zeigt noch genau den alten Standort oberhalb einer Kuhle im ehemaligen Förstergarten. Wilfried Hahn hat durch verschiedene Karten und Dokumente Nachweise gefunden, die belegen, dass diese Station nach dem Abbruch 1850 in Wehre wiedererrichtet wurde. Auf den heutigen Fotos sind schön die Luken für die Fernrohre zu sehen. Letztes Jahr stand das Haus dann zum Verkauf, wodurch Ehepaar Jäger aus Beuchte es erwerben konnte. Bei der Restaurierung soll die Telegraphenstation wieder erstehen und später als Café und Telegraphenmuseum in Wehre eine Attraktion werden.
Hahn gab noch ein weiteres Highlight bekannt. Neben Leo von Klenze wurde noch eine weitere weltbekannte Persönlichkeit auf dem Buchladen geboren: Agnes Vollmar die Tochter des Ober-Telegraphisten Friedrich Ferdinand Vollmar, wurde am 22. Mai 1836 im Telegraphenhaus auf dem Buchladen geboren. Sie bekam Unterricht in einem Pfarrhaus am Harz (Burgdorf). Schon in der Kindheit erkannte man ihre dichterische Begabung, welche aber durch viele Arbeiten im Haus und auf dem Gebiete der Mission behindert wurde, sich zu betätigen. Im Jahre 1864 erschien ihr erster größerer Roman »Das Pfarrhaus im Harz«, der um 1900 bereits in 15. Auflage erscheint. Andere Romane folgten, mit ihnen aber auch viele kleine Volks- und Jugendschriften, deren Zahl um 1900 auf über 100 gestiegen war, die in mehr als zweieinhalb Millionen Exemplaren gedruckt worden sind. Ihre Werke wurden vielfach in fremde Sprachen übersetzt. Seit 1883 war Vollmar, die 1871 das »Amalienhaus« mit begründete, stellvertretende Vorsitzende des deutschen National-Vorstandes des »Internationalen Vereins der Freundinnen junger Mädchen«, dessen Organ sie seitdem herausgab. Mehrere Broschüren-Werke, durch die der Verein sehr bekannt wurde, schrieb sie in den letzten Jahren des 19. Jhds.. Sie gab mit ihrer Schwester, der Kunstschriftstellerin Helene Vollmar, die Zeitschrift »Heimatglocken« heraus, die die Gründung von Internaten für gebildete, in der Arbeit des Lebens stehende, Frauen und Mädchen ausdrücklich bezweckte. Dieses Ziel hat sie auch erreicht und hat dadurch Anregung zu vielen anderen »Heimaten« in großen deutschen Städten gegeben.
Nach vielen weiteren Informationen ließen die Gäste dann bei Glühwein und Käsespieße den Abend gemütlich ausklingen.
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