Entscheidung im Finanzausschuss zum fair gehandelten Kaffee ist bedauerlich




Zu unserem Bericht Fairer Kaffee scheitert im Finanzauschuss erreicht uns die Lesermeinung von Rainer Elsner, die wir – wie immer – ungekürzt und unkommentiert veröffentlichen:

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Stadtrat hat beantragt, bei öffentlichen Veranstaltungen und Empfängen der Stadt und ratsinternen Sitzungen und Besprechungen künftig nur noch Kaffee aus fairem Handel auszuschenken. Eine Zustimmung zu diesem Antrag würde für den Augenblick die Welt sicher nicht wesentlich verbessern. Aber es wäre ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen im Kaffeeanbau. Diese Menschen produzieren nicht selten unter für uns inakzeptabel erscheinenden Bedingungen den Rohstoff für eines unserer selbstverständlichsten täglichen Konsumgüter. Diese Tatsache allein könnte eigentlich schon Grund genug sein, dem Antrag zuzustimmen und damit Vorbild für andere zu sein.

Aber es gibt – entgegen der Aussage des vom Bürgermeister zitierten ARD-TV-Beitrages[1] – auch weitere Gründe dafür. Ein einzelner, auf einem einzigen Beispiel basierender journalistischer Beitrag allein sollte nicht als Basis für irgendeine Entscheidung ausreichen. In dem zitierten Weltspiegel-Beitrag wird Fairtrade anhand eines einzigen Beispiels aus Afrika tendenziell komplett diskreditiert, andere Verantwortliche wie die großen Kaffee-Konzerne oder vielleicht ja auch ein unsolidarisches Wirtschaftssystem werden hingegen entweder nur am Rande oder gar nicht genannt und die Organisation Fairtrade selbst kommt gleichfalls nicht zu Wort.

Es gibt durchaus auch berechtigte negative Kritik an Fairtrade[2]. Diese negative Kritik stellt das System eines fairen Handels aber nicht komplett in Frage. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen zudem zu dem Schluss, dass Fairtrade eben doch mehr ist als ein Almosen. Das CEVAL, ein Institut der Universität des Saarlandes, kommt zu folgendem Urteil: „Die Präsenz von repräsentativen Fairtrade-zertifizierten Kooperativen oder Plantagen in einem bestimmten Gebiet hat positive Auswirkungen nicht nur innerhalb dieser Produzentenorganisation, sondern auch auf die ländliche Entwicklung der jeweiligen Gegend, auf die vermehrte Einbindung und Partizipation der lokalen Bevölkerung in ländliche Entwicklungsaktivitäten und somit auf die Verbesserung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen in den ländlichen Gegenden, in welchen die Mitglieder bzw. Arbeiter von zertifizierten Fairtrade-Produzentenorganisationen leben.“[3]

Das alles deutet für mich darauf hin, das es zwar einfach ist, Fairtrade wegen vorhandener Fehler schnell komplett zu verdammen. Für das grundsätzlich positiv zu wertende Anliegen dahinter wäre das aber völlig kontraproduktiv. Sollte sich solche Diskreditierung, wie wir sie zum Beispiel auch bei Bio-Produkten oder der Energiewende finden können, durchsetzen, sind wir schnell wieder auf einem Weg in eine nach meiner Auffassung falsche, eigentlich nicht verantwortbare Richtung.

Als Bürgermitglied im Ausschuss für Bau, Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) durfte ich der ersten Diskussion über den Antrag der Grünen beiwohnen. In dieser Sitzung des BSU am 18. Februar 2014 wurde dem Antrag noch mehrheitlich zugestimmt! Dass dieser Empfehlung des BSU nun im Finanzausschuss nicht gefolgt wurde, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Es ging ohnehin mehr um einen symbolischen Akt, als um eine schwerwiegende Finanzentscheidung. Diese symbolische Entscheidung kann aber eine Vorbildfunktion für andere Akteure haben – so oder so. Sollte diese Entscheidung im weiteren Abstimmungsprozess bestand haben, empfände ich eine solche Entscheidung des Stadtrates als bedauerlich und letztlich unsolidarisch. Ich sehe es als wünschenswert an, wenn weitere Informationen[wie 2, 3, 4] mit in den weiteren Entscheidungsprozess mit einbezogen werden, die dann die seinerzeit noch solidarisch wirkende Mehrheitsentscheidung im Umweltausschuss hoffentlich doch wieder bestätigen – auch im Blick darauf, was 1986 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker gesagt hat:

„Nur eine solidarische Welt kann eine gerechte und friedvolle Welt sein.“

Vielen Dank!

Rainer Elsner



Quellen:

[1] Der ARD-Fernsehbeitrag http://www.tagesschau.de/ausland/weltspiegel-kenia100.html

[2] Der entsprechende Wikipedia-Beitrag, der auch die negative Kritik beleuchtet: http://de.wikipedia.org/wiki/Fairer_Handel

[3] Handout der Studie des CEVAL, einem Institut der Universitätdes Saarlandes: http://www.fairtrade-deutschland.de/fileadmin/user_upload/materialien/download/wirkungsstudien/CEval_Handout_Public_de_02.pdf; die Studie selbst kann (in englischer Sprache) ggf. beim Institut (http://www.ceval.de/typo3/index.php?id=22) angefragt werden.

[4] Die Stellungnahme Fairtrade Deutschland: http://www.fairtrade-deutschland.de/top/news/detailseite-news-startseite/?no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=2340&cHash=d728e45b5b249de59669793daba3bb26 und die Stellungnahme von GEPA: http://www.gepa.de/home/tipps-themen/ard-weltspiegel.html


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