Wolfenbüttel. Die Welle der Solidarität mit dem Wolfenbütteler Pfarrer Matthias Eggers reißt nicht ab. Nachdem zahlreiche Bürger am vergangenen Sonntag im Rahmen eines Gottesdienstes ihre Solidarität erklärten und sich sogar der Bürgermeister, die Politik und die ev.-luth. Propstei Wolfenbüttel hinter den Pfarrer stellten, machen nun die Ministranten Wolfenbüttel noch einmal deutlich, dass sie unerschütterlich hinter ihrem Pfarrer stehen und sie weiter die Aufklärung von sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim fordern.
In einem Statement der Ministranten Wolfenbüttel heißt es am heutigen Mittwoch, dass man überwältigt von den Geschehnissen der letzten Tage sei. Vor allem davon, dass viele Menschen den Gottesdienst am vergangenen Sonntag besuchten und sich so solidarisch zeigten. Diese Energie wolle man nutzen, um die Aufklärung von sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim weiter voranzutreiben und zum obersten Ziel zu erklären. Daher wird noch einmal dazu aufgerufen, am Sonntag um 10 Uhr am Gottesdienst in der Petruskirche teilzunehmen, um für dieses wichtige Thema Präsenz zu zeigen. Als Zeichen der Solidarität sollen alle ein weißes T-Shirt zu tragen.
Weiter heißt es in dem Statement:
"Die Ministrantinnen und Ministranten sind seit Jahrzehnten ein lebendiger Teil der Pfarrei. Trotz der Kritik an der katholischen Kirche in den letzten Jahren gibt es viele Jugendliche und junge Erwachsene, die Hoffnung haben und an ihrer Kirche festhalten. Dass die Zeit als Messdiener in unserer Pfarrei prägend ist, hat auch die Unterstützung durch viele ehemalige Messdienerinnen und Messdiener am vergangenen Sonntag gezeigt.
Nicht mit Erreichtem zufrieden geben
Matthias Eggers hat immer wieder betont, dass das Bistum Hildesheim bereits weiter sei als andere Diözesen und dass dies auch Bischof Heiner Wilmer zu verdanken ist. Dies dürfe jedoch keine Rechtfertigung sein, sich mit dem bisher Erreichten zufrieden zu geben. Sowohl Eggers in seinem Interview und Blogeintrag, als auch der Betroffenenrat Nord machen deutlich, wo die Aufarbeitung nicht schnell genug funktioniert und wo weiterhin Missstände existieren1. Uns ist die Behebung der Missstände in doppeltem Sinne wichtig: Zum einen sind wir der Meinung, dass alle Betroffenen ein Recht auf Aufklärung haben, zum anderen beschäftigt uns als junge Menschen das Thema in besonderer Weise. Denn es hätten WIR sein können. Auch in unserer Gemeinde gibt es Betroffene und gab es Täter sexualisierter Gewalt.
Dass wir uns jetzt hier in St. Petrus sicher fühlen, haben wir einer Kultur der Achtsamkeit und Sensibilisierung im Hinblick auf Anzeichen von Missbrauch und einem ständigen Aufrechterhalten des Themas zu verdanken. Ebenso ist es für uns selbstverständlich, dass alle Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben – von Hauptamtlichen bis Eltern, die zum Beispiel die Aktionen der Jugendarbeit begleiten – an einer Präventionsschulung teilnehmen und so zur Wachsamkeit beitragen.
Als eigenen Beitrag dazu möchten wir eine Plattform schaffen, auf der die Datenlage transparent dargelegt wird und von allen Menschen ohne viel Suchen direkt nachgelesen werden kann.
Ministranten mit klarer Forderung
Darüber hinaus möchten wir nochmals unsere Unterstützung für unseren Pfarrer Matthias Eggers unterstreichen. Dass wir als (ehemalige) Ministranten und Ministrantinnen, die Gemeinde und die Stadt dem unermüdlichen Einsatz und kritischen Hinterfragen von Matthias Eggers eine Menge zu verdanken haben, ist in den letzten Tagen mehr als deutlich geworden. Diverse Einzelpersonen, der Betroffenenrat Nord sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und anderer Konfessionen haben in den letzten Tagen ihre Solidarität mit Matthias Eggers bekundet. Im vollkommenen Gegensatz zur Unterstellung, er habe “dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt“, sorgt er sich vielmehr und in vielfältiger Weise um die Menschen in seiner Gemeinde, Stadt und darüber hinaus. Anders als vom Pressesprecher des Bistums dargestellt, weisen sowohl die Formulierung als auch der eingeräumte Zeitraum darauf hin, dass die ersten Schritte in Richtung Amtsenthebung bereits eingeleitet wurden, für den Fall dass Eggers nicht von seinem Amt zurücktritt. Auch unter Berücksichtigung seines bisherigen Dienstes in seiner Zeit in St. Petrus, können wir nicht nachvollziehen, warum er erstens nach Vorstellung des Bistums zukünftig als “Priester und Seelsorger ohne Leitungsamt” eingesetzt werden soll, und wie zweitens diese Maßnahme nicht als Sanktionierung zu verstehen ist.
Unsere Forderungen an den Bischof und die Bistumsleitung sind deshalb:
•Kehren Sie zu Ihrem Versprechen zurück, “jeden Stein umdrehen zu wollen”. Noch im April diesen Jahres bemängelte der Betroffenenrat Nord, dass zahlreiche Empfehlungen aus den veröffentlichten Missbrauchsgutachten noch nicht umgesetzt wurden und auch Eggers wiederholte in seinem Interview mit dem Hildesheimer Anzeiger unter anderem die Kritik, dass die Aufarbeitung nicht zügig genug voranschreitet. Räumen Sie der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und Begleitung Betroffener die höchste Priorität ein und treiben Sie die Aufarbeitung zügig und proaktiv voran!
•Begreifen Sie angebrachte Kritik als Chance zur Verbesserung. In der Kritik am Bistum an seiner Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt liegt unserer Meinung nach das Potenzial, Verbesserungen im Sinne der Betroffenen zügig voranzutreiben.
•Nehmen Sie Ihre Aussage zurück, Pfarrer Matthias Eggers habe “dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt”. Wie oben dargestellt, setzt sich Matthias Eggers für das Wohl der Menschen ein und wird dafür überkonfessionell, überparteilich und vor allem in den Gemeinden geschätzt. Eine wachsende Anzahl an Menschen (inzwischen weit mehr als 1.000) unterschreibt in diesen Tagen, dass Matthias Eggers ihnen keinen Schaden zugefügt hat. Wer stellt für Sie das Volk Gottes dar, wenn nicht mehrere tausend Gläubige? Wir fordern, dass diese und unsere Stimmen ernst genommen werden.
Die (ehemaligen) Ministrantinnen und Ministranten Wolfenbüttels
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