Wolfenbüttel. Zum kommenden Schuljahr beendet das Gymnasium Große Schule nach einem Jahr den Boykott der Klassenfahrten (WolfenbüttelHeute.de berichtete bereits). Grund für die 2014 beschlossene Gegenmaßnahme aller Wolfenbütteler Gymnasien war eine Entscheidung der Niedersächsischen Landesregierung; diese hat die wöchentliche Pflichtstundenzahl der Gymnasiallehrer von 23,5 Stunden auf 24,5 Stunden erhöht.
"Keine Klassenfahrten in den Jahrgängen fünf bis zwölf im laufenden Schuljahr", dies war die Reaktion der Lehrkräfte der Großen Schule für das Schuljahr 2014/2015. Mit dieser Entscheidung reagierten sämtliche Lehrer der drei Gymnasien auf die Arbeitszeitverlängerung sowie die unbefristete Aufhebung der Altersermäßigung. Ausgenommen des Boykotts waren Projekt- und Austauschfahrten der Schüler.
"Im kommenden Jahr setzt die Große Schule den Boykott nicht fort", dies teilte Schulleiter Hartmut Frenk am Dienstagnachmittag mit. Jedoch solle der Protest gegen die bildungspolitischen Maßnahmen der Landesregierung weiterhin aufrechterhalten werden. Lehrkräfte der Großen Schule hatten in einer geheimen Ur-Abstimmung über den Fahrten-Boykott ein Votum herbeigeführt. Die vereinbarte qualifizierte Mehrheit von 70 Prozent für eine Fortsetzung wurde nicht erreicht. Jedoch sprachen sich zwei Drittel für den Erhalt des Boykotts aus. Somit sei der Solidarisierungszwang nun aufgehoben, sagte Frenk. "Wir wollen nun mit Eltern, Schülern und Lehrern einen gemeinsamen Weg finden, wie wir damit umgehen", so Frenk.
Klassenfahrten sind wichtig für das soziale Miteinander
Da das Dienstrecht keine Verpflichtung der Lehrer kennt, Klassenfahrten zu planen, zu gestalten oder zu durchzuführen, obliegt die Entscheidung ohnehin einem jeden Lehrer. Auch in Zukunft können Lehrkräfte dies persönlich entscheiden. Wie der Vorsitzende der Personalrats Heribert Hasse mitteilte, würden auch künftig nicht alle Lehrer ihre Klassenfahrten wieder aufnehmen. Dass die mehrtägigen Ausflüge der sozialen Kompetenz der Schüler und dem Gemeinschaftsgefühl der Klasse dienten, sagten die Elternvertreterinnen Cathy Wilkens und Kerstin Neugebauer. "Für Kinder sind diese Fahrten ein Höhepunkt", so Wilkens. Um kein Schwert zwischen Lehrer und Schüler zu treiben, hat sich die Schule nun für eine Ende des Klassenfahrten-Boykotts entschieden. Die Reaktion der Lehrerschaft sah nie vor, arbeitspolitische Entscheidungen auf den Rücken der Schüler auszutragen: "Lehrer haben nur wenige Möglichkeiten, um ihren Unmut auszudrücken", sagte Frenk. Es gebe an dieser Stelle nie die perfekte Lösung.
Unterstützt wird die Lehrerschaft sowohl von Schülern, als auch von Eltern. Der Protest verlagert sich nun vom Schulgebäude auf privat Agierende. Die Schülervertreter Annalea Brüggemann (THG) und Simon Gaede (Große Schule) haben an ihren Schulen mittels einer Unterschriftenaktion Stimmen für mehr Unterrichtsqualität und gegen die bildungspolitisch bestimmte Mehrarbeitszeit ihrer Lehrer gesammelt. Über 1300 Stimmen kamen dabei zusammen. Die Petition wollen sie in den kommenden Tagen an das Niedersächsische Kultusministerium senden. "Uns geht es um den Vertrauensbruch der Landesregierung. Wir stehen hinter unseren Lehrern und finden es nicht gut, was ihnen zugemutet wird", sagte die 16-jährige Annalea.
In Summe bedeute die zusätzliche Pflichtstunde ein wöchentliches Mehr von insgesamt 2,5 Stunden. Diese Mehrarbeit wäre des Engagements der Lehrer in vielen Bereichen abträglich, sagte Oberstudiendirektor Hartmut Frenk. Lehrer investierten, neben dem Unterricht und dessen Vorbereitung, Zeit in die individuelle Förderung der Schüler.
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