Wolfenbüttel. "Sie brauchen kein Mehl? Fragen Sie Ihre Nachbarn trotzdem danach. Das kann eine Situation von häuslicher Gewalt gegen eine Frau oder ein Kind erstmal unterbrechen. Sie haben einen Verdacht, sind sich aber nicht sicher, ob Sie den Lärm aus der Nachbarwohnung richtig interpretieren? Sprechen Sie mit anderen Nachbarn: „Hast du das auch gehört?“: Mit diesen Worten unterstützt die Wolfenbütteler Baugesellschaft WoBau die neue Kampagne zur Sensibilisierung für häusliche Gewalt im eigenen Wohnhaus des Justiz- und Sozialministeriums Niedersachsen. Die Frauenhäuser in Wolfenbüttel sind ausgelastet, gerade in der Zeit der häuslichen Isolation steigt das Risiko, dass Kinder und Frauen Opfer von häuslicher Gewalt werden. Darauf macht die WoBau in einer Pressemitteilung aufmerksam.
„Hast du das auch gehört?“ heißt die Kampagne, die Bürger des Landkreises Wolfenbüttel für häusliche Gewalt sensibilisieren soll. Die große Sorge von zuständigen Stellen ist, dass die Zahl der Delikte von häuslicher Gewalt während der Corona-Krise steigt, weil viele Familien in der Zeit der Kontaktsperre noch mehr Zeit zusammen in den eigenen vier Wänden verbringen. Das kann zu vermehrten Spannungen und Gewaltausbrüchen führen.
„Unser Frauenhaus ist momentan voll besetzt“, sagt Tanja Friese von der Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking in Wolfenbüttel (BISS). „Fünf Anfragen mussten wir in der letzten Woche sogar ablehnen, konnten jedoch andere regionale Frauenschutzhäuser vermitteln.“ Die Häufigkeit der gewalttätigen Übergriffe nimmt zu, ob das unmittelbar mit der Corona-Pandemie zusammenhängt, ist nicht bestätigt, aber wahrscheinlich. „In China ist die Zahl der Vorfälle schon drei Mal so hoch wie vor Corona. Auch das Hilfetelefon berichtet von einem Anstieg der bisherigen Anfragen.“ weiß Friese. Die Kampagne „Hast du das auch gehört“ möchte dieser Entwicklung entgegenarbeiten.
"Verständigen Sie die Polizei, wenn Sie selbst nicht eingreifen möchten"
Die WoBau verteilt Infopostkarten an die Mieter in ihrem Bestand. Gerade in der Nachbarschaft ist ein erster Schritt zur Hilfe für betroffene Frauen gut möglich. Nachbarn sind oft die ersten, die etwas hören oder sehen. Aber was dann? An dieser Stelle greift die Kampagne: Auf den Infopostkarten stehen Ansprechpartner, Rufnummern und Hinweise, wie man sich im konkreten Fall verhalten kann. Wer nicht selbst aktiv werden möchte – unerheblich aus welchen Gründen – sollte die Polizei verständigen. Häusliche Gewalt ist nichts Privates, sondern eine Straftat. Die Polizei zu rufen, ist bei einem Verdacht in jedem Falle der richtige Weg. „Häusliche Gewalt geht uns alle an“, betont der Landespräventionsrat Niedersachsen.
Tanja Friese weist darauf hin, wie wichtig es ist, nicht zu zögern. „Wenn eine Frau sich endlich an ein Frauenhaus wendet, hat sie in der Regel im Durchschnitt acht Jahre Gewalterfahrungen hinter sich“, zitiert die Mitarbeiterin des Frauenschutzhauses die Statistik. Aber es gibt einen Weg da heraus. „Zwei Drittel der Frauen schaffen es, sich und ihren Kindern nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus ein selbständiges Leben aufzubauen“, weiß Friese nach 20 Jahren im Beruf. Jede Hilfe lohnt sich. Die Verteilaktion findet bereits in diesen Tagen statt. Für betroffene Frauen ist das Frauenhaus 24 Stunden unter der Telefonnummer 05331/41188 erreichbar.
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