“Hat Wulff das Parlament getäuscht?” – das fragt die “Bild” in ihrer heutigen Ausgabe. Und die “Welt” glaubt, dass ein vermeintlicher 500000-Euro-Kredit dem Bundespräsidenten “gefährlich werden” könne. Hintergrund: Wulff habe den Kredit vor drei Jahren aufgenommen, um sein Einfamilienhaus in Burgwedel zu finanzieren, zu einem Zinssatz von vier Prozent. Die Kreditgeberin ist die Ehefrau von Egon Geerkens aus Osnabrück, der Heimatstadt Wulffs. Geerkens war Wulffs Trauzeuge, als er seine erste Frau Christiane heiratete.
Dazu erklärt der Sprecher vom Bundespräsidenten Olaf Glaeseker (alle Stellungnahmen wie gewohnt ungekürzt und unkommentiert):
[image=5e1764c3785549ede64ccdd6]“Die Anfrage der Abgeordneten Wenzel und Helmhold wurde im Niedersächsischen Landtag korrekt beantwortet. Die Anfrage bezog sich auf geschäftliche Beziehungen zu Herrn Egon Geerkens oder zu einer Firma, an der Herr Geerkens beteiligt war. Solche geschäftlichen Beziehungen bestanden und bestehen nicht. Es bestand eine Vereinbarung mit Frau Edith Geerkens zu einem Darlehen aus ihrem Privatvermögen. Dementsprechend wurde die unmissverständliche Anfrage wahrheitsgemäß verneint.
Durch den privaten Darlehensvertrag mit der mit dem Bundespräsidenten seit vielen Jahren befreundeten Frau Edith Geerkens wurde 2008 der Kauf des privaten Einfamilienhauses der Eheleute Christian und Bettina Wulff in Burgwedel zu einem Zinssatz von vier Prozent finanziert. Die fälligen Zinsen wurden fristgerecht gezahlt. Im Frühjahr 2010 ist dieses Privatdarlehen durch eine Bankfinanzierung mit niedrigerem Zinssatz abgelöst worden.
Der BILD-Zeitung und anderen Journalisten wurde dieser Sachverhalt in den zurückliegenden Wochen ausführlich mit Dokumenten dargelegt. Dabei wurde auch der Name der Kreditgeberin gegen die Zusage genannt, diesen aus Gründen des Datenschutzes und des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht zu veröffentlichen, weil es sich um eine Privatperson handelt.”
Foto: Bundespräsidialamt
Die Landtags-SPD erklärt hingegen: “Wulff hat Parlament bewusst im Unklaren gelassen”
Zur Berichterstattung über einen Privatkredit für Bundespräsident Christian Wulff bemerkt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Schostok:
[image=5e1764be785549ede64cccce]„Der damalige Ministerpräsident Christian Wulff hat in seiner Antwort auf eine Anfrage der Landtagsgrünen nach geschäftlichen Beziehungen zu seinem Freund Egon Geerkens nach derzeitigem Wissensstand vermutlich nicht gelogen. Gleichwohl hat er den Niedersächsischen Landtag über die besonderen finanziellen Beziehungen der Familien Wulff und Geerkens bewusst im Unklaren gelassen.
An diesem Beispiel zeigt sich, wie sehr der damalige Ministerpräsident und heutige Bundespräsident in einer Grauzone agiert hat, wenn es um Hilfestellungen durch Freunde und Bekannte ging.
Dass Herr Wulff wenige Wochen nach der für ihn unangenehmen Landtagsdebatte über seinen umstrittenen Urlaubsaufenthalt in Florida vom Januar 2010 den privaten Darlehnsvertrag mit der Gattin von Herrn Geerkens laut Presseberichten kündigte und zu einer anderen Bank wechselte, macht deutlich, dass der damalige Ministerpräsident die Brisanz des Geschäftsverhältnisses inzwischen erkannt hatte.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ausgerechnet eine landeseigene Bank in Baden-Württemberg, die laut Eigendarstellung einen besonderen Fokus auf das Mittelstandsgeschäft in Baden-Württemberg legt, nun als Finanzier eines Einfamilienhauses in Burgwedel bei Hannover auftrat. Ob Herr Wulff diese Bank auswählte, weil sie besonders weit von Hannover entfernt ihren Sitz hat, ob vielleicht andere hilfreiche Bekannte den Kontakt zur BW-Bank beförderten, ist Spekulation. Dass die damaligen Ministerpräsidenten Oettinger und Wulff bei den sponsorenfinanzierten ,Nord-Süd-Dialogen‘ in Hannover und Stuttgart in den Jahren 2007 bis 2009 vor zuletzt 1000 ausgewählten Gästen ihre Chance zur Repräsentation zu nutzen wussten, steht hingegen fest.“
Auch die Grünen bleiben dabei: “Der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff hat nicht korrekt informiert”
Zu dem Vorwurf, der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff habe dem Niedersächsischen Landtag die Wahrheit über Geschäftsbeziehungen verheimlicht, erklärt der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Stefan Wenzel:
[image=5e1764c3785549ede64ccdd7]“Der damalige Ministerpräsident Christian Wulff hat sich dem Bemühen des Niedersächsischen Parlaments um Aufklärung über Charakter und Umfang der Beziehungen zwischen Egon Geerkens und seiner Person verweigert, indem er nicht umfassend aufgeklärt hat. Die Antworten der Landesregierung auf unsere Anfrage waren der Versuch mit haarspalterischen Auslegungen und Winkelzügen, diese Beziehung so weit als möglich im Dunkeln zu lassen.
Die von Herrn Wulff bestätigte Kreditannahme könnte den Tatbestand des Verstoßes gegen das Ministergesetz erfüllen und die Antwort der damaligen Landesregierung auf unsere Anfrage könnte als Täuschung des Parlaments gewertet werden.
Herr Wulff hat im Zusammenhang mit seinem eingestandenen Fehler bei der Annahme vergünstigter Flugtickets ausdrücklich die Vorbildfunktion von Politikern betont. Wir teilen die Einschätzung von Herrn Wulff, dass man als Politiker gehalten ist, nicht dem Eindruck Vorschub zu leisten, dass man seine Entscheidungen von Begünstigung durch Dritte abhängig macht.
Es gibt in dem genannten Vorgang weitere offene Fragen.
Unsere Fraktion wird prüfen, welche parlamentarischen Mittel es für die weitere Aufklärung gibt und welche Konsequenzen daraus gegebenenfalls zu ziehen sind.”
Christian Wulff selbst kehrt heute von einer Reise nach Kuwait zurück.
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