Wolfenbüttel. Das integrative Bildungsprojekt "Wer war eigentlich Lessing?" nutzt Wolfenbütteler Kulturgeschichte zur Erkundung der eigenen Identität. Teilnehmer mit geistiger Beeinträchtigung erkunden über mehrere Wochen hinweg die Biographie von Gotthold Ephraim Lessing und nähern sich so auch der eigenen Lebensgeschichte sowie den eigenen Wünschen und Lebenszielen.
Das Projekt sei ein Versuch, dem Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf lebenslanges inklusives Lernen Rechnung zu tragen, erklärt Heilpädagogin Regina Schultz, die das Projekt leitet und unter fachlicher Beratung von Prof. Dr. Henning Daßler von der Hochschule Fulda entwickelt hat. Die Diskussion über inklusive Bildung konzentriere sich bislang sehr eindeutig auf Schulen, erklärte sie. Aber auch in der Inklusiven Erwachsenenbildung sei es wichtig, dass diese dort stattfindet, wo auch andere Erwachsene Bildungsangebote erhalten, wie beispielsweise in Museen oder Bibliotheken. Dementsprechend sei es ein Ziel des Projektes, die Teilnehmer in adäquater Weise mit der Kultur und der Geschichte ihrer Heimatregion vertraut zu machen, indem auch öffentliche Bildungseinrichtungen besucht werden. Der wohl wichtigste Aspekt des integrativen Projektes sei aber die Biografiearbeit. In mehreren Treffen und mit verschiedenen kreativen Techniken erforschen die Teilnehmer die Biografie von Gotthold Ephraim Lessing, um diese mit der eigenen Lebensgeschichte abzugleichen.
Vom "Lessingbuch" zum "Ich-Buch"
Teilnehmer des Projektes entwickeln ihre "Ich-Bücher". Foto: Privat
Wie Regina Schultz erklärt, umfasst das Projekt neun Kurseinheiten über insgesamt neun Wochen. Bereits drei mal sei das Bildungsprojekt mit Bürgern der Stiftung Neuerkerode und der Lebenshilfe Wolfenbüttel durchgeführt worden. Im Rahmen des Lessingfestivals wird es zurzeit mit der Unterstützung von vier Studenten der Ostfalia und zwei Heilerzeihungspflege-Schülerinnen aus Braunschweig ein weiteres Mal durchgeführt. "Wir erarbeiten mit Hilfe von verschiedenen Medien die Lebensgeschichte von Lessing", erklärt Regina Schultz. "Wir lernen seine verschiedenen Lebensstationen in den jeweiligen Lebensphasen kennen". Als Grundlage sei dafür auch bereits ein "Lessingbuch" entwickelt worden, das für die Kursteilnehmer die wesentlichen Eckpunkte zusammenfasst. Bezugnehmend auf die Lebensgeschichte Lessings sollen sich die Teilnehmer dann ihr eigenes Leben vergegenwärtigen. Anhand von Fragen wie "Was für ein Kind war ich?", "Was macht mich glücklich?", "Was macht mich traurig?" und "Was wünsche ich mir für mein Leben?" soll für jeden Teilnehmer ein "Ich-Buch" entstehen, gewissermaßen als Pendant zum Lessing-Buch.
Ein Figuren-Theater soll Lessings Werk vermitteln. Foto: Privat
Rollenspiele und Exkursionen
Aber auch das Werk Lessings soll den Teilnehmern des Projektes vermittelt werden. So soll anhand eines Figuren-Theaters und eines Rollenspiels mit Verkleidung, Musik und Tanz im Rahmen eines orientalischen Abends "Nathan der Weise" erkundet werden. Begriffe wie Religionsfreiheit und Toleranz sollen dabei diskutiert werden und die Teilnehmer können auf Plakate schreiben oder malen, wie sie sich den Umgang zwischen Menschen in einer Gesellschaft wünschen. Auf einer Exkursion nach Braunschweig begeben sich die Teilnehmer zudem auf Lessings Spuren. Seine Wohnung in der Stobenstraße, das Lessingdenkmal und sein Grab werden hierbei angesteuert. In einer zweiten Exkursion am 30. April gibt es eine Führung durch Lessings Arbeitsplatz – die Herzog-August-Bibliothek und als großes Finale des Projektes treffen die Teilnehmer schließlich im Lessinghaus auf den großen Dichter selbst. Als Lessing verkleidet führt ein Schauspieler die Kursteilnehmer durch sein Haus und erzählt dabei aus seinem Leben.
Abschlussveranstaltung offen für alle
Bei dieser Abschlussveranstaltung, die am 30. April von 14 bis 16 Uhr im Lessinghaus stattfindet, sind alle Bürger herzlich eingeladen, betont Regina Schultz. Schließlich sei dieser Teil des Bildungsprojektes inklusiv, erklärt sie. Nach 16 Uhr soll dann in der Mensa der Werkstatt der Lebenshilfe für alle ein Abschlusstreffen stattfinden. Die Stadtbäckerei Richter, die bereits während des Projektes stets für das leibliche Wohl gesorgt habe, wolle dabei Lessingbrot und Lessingkuchen spenden, so Regina Schultz.
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