[image=5e1764cc785549ede64ccfda]Claus Schröder (56) gehört zu den Gründern des Asse 2-Rechtshilfefonds. Als dessen Vorstandsmitglied ist er als stimmberechtigtes Mitglied in der Asse 2-Begleitgruppe vertreten.
Herr Schröder, jetzt haben sich die Umweltministerien aus Bund und Ländern ganz klar zur Rückholung positioniert. Ist das ein Erfolg des Begleitprozesses, der ja bundesweit einmalig ist?
Ja, aber nicht ausschließlich. Auch der öffentliche Druck hat das ermöglicht. Und der wurde kurz vor Weihnachten mit dem Memorandum aus dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) noch mal verstärkt. Da sind viele Bürger aufgeschreckt und waren entsetzt, dass die Rückholung in Frage gestellt wurde.
Werden die Signale aus Berlin und Hannover Ihrer Meinung nach zur Beschleunigung des Prozesses beitragen?
Ich hoffe schon, aber ich bin noch skeptisch, ob die Größe des Problems richtig erkannt wurde. Es gibt schließlich nicht nur rechtliche Probleme. Beispielsweise muss ein Projektmanagement eingesetzt werden. Man hat den Eindruck, dass die BfS-Spitze zwar gewillt, aber mit der Aufgabe überfordert ist. Das BfS hat keine Erfahrung, Industrieprojekte - und als solches ist die Rückholung anzusehen - dieser Größenordnung umzusetzen. Nicht nur die Menge des Personals ist hier entscheidend. Es muss einen erfahrenen Projektmanager geben, der stets das Ziel vor Augen hat. Es muss auch einen richtigen Zeitplan geben. Nicht etwa, damit wir diesen kritisieren, wenn mal ein Termin nicht eingehalten wird, sondern damit der Betreiber sich selbst überprüfen kann. Eventuell müsste eine solche Maßnahme von oben kommen - also aus dem Bundesumweltministerium.
Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser hat vergangene Woche angekündigt, die Asse-2-Begleitgruppe in das Gesetzgebungsverfahren zur "Lex Asse" mit einzubeziehen. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Das ist sicherlich begrüßenswert. Und es zeigt, dass die Begleitgruppe inzwischen einen solch wichtigen Status hat, dass man in dieser Frage um sie gar nicht vorbeikommt. Es ist daher naheliegend und sinnvoll, die Gruppe mit einzubeziehen.
Denken Sie, ein modifiziertes Gesetz wird die Rückholung beschleunigen?
Ja, im Prinzip schon, denn der rechtliche Rahmen war häufig die Ausrede, wenn Verzögerungen eintrafen. Den rechtlichen Zusatz muss man jedoch genau definieren. Es gibt auch Kräfte, die die Rückholung nicht wollen. Denen darf man keine rechtlichen Schlupflöcher bieten, die eventuell eine Vollverfüllung ermöglichen könnten. Die Gesetzes-Vorschläge, die jetzt gemacht werden, müssen wir zusammen mit einem Rechtsanwalt sehr genau prüfen.
Liegt es am Atomrecht, dass sich der Beginn der Faktenerhebung so oft verzögert hat?
Nein. Was die Faktenerhebung angeht, sind wir aber in der Begleitgruppe nicht alle zu hundert Prozent einer Meinung. Ich sehe es so: Die Faktenerhebung wurde nicht vom BfS, sondern vom BMU angeordnet. Von ihrem Sinn bin ich nicht überzeugt. Man muss einfach vom schlimmsten Szenario ausgehen und unter diesen Voraussetzungen mit der Rückholung beginnen. Der Schritt zum Atomrecht war gut und richtig und wir gehen auch bestimmt nicht wieder zurück zum Bergrecht. Die jetzt geplante Gesetzesänderung spielt sich innerhalb des Atomrechts ab.
Halten Sie es für sinnvoll, die Rückholung unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr voranzutreiben?
Das wäre auch eine denkbare Möglichkeit. Es sind in der Asse schon viele Maßnahmen nach Gefahrenabwehr durchgeführt worden. Ein solcher Vorschlag muss vom BMU kommen. Dessen Verantwortliche müssen sagen, welche rechtlichen Schritte sie anwenden wollen. Die Begleitgruppe würde solche Vorschläge wohlwollend prüfen. Bisher hatte besonders das NMU Einwände gegen die Rückholung als Gefahrenabwehrmaßnahme geäußert.
Wie sehen Sie die Rolle der Bürgerinitiativen in der Asse 2-Begleitgruppe?
Es ist die große Stärke der Begleitgruppe, dass sie einen guten Querschnitt der regionalen Gesellschaft abbildet. Alle Mitglieder haben im Verlauf des Begleitprozesses von den anderen etwas lernen können. Die kommunalen Vertreter, also Kreistagsabgeordnete und die vertretenen Samtgemeindebürgermeister, haben gesehen, wie engagiert die Bürgerinitiativen an dem Thema dran sind. Aber auch wir haben gemerkt, dass die politischen Vertreter sich sehr ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen. Das führt dazu, dass wir die meisten Entscheidungen in der Begleitgruppe im Konsens treffen.
[image=5e1764cc785549ede64ccfdb]Ist der Begleitprozess beendet, wenn die Rückholung beginnt? Oder gehören die Bürgerinitiativen weiterhin ins Boot?
Der Prozess muss mindestens so lange dauern, bis die Rückholung abgeschlossen ist. Auch nach erfolgtem Beginn können jederzeit Probleme auftreten - ich rechne sogar damit. Und selbst wenn der Müll draußen ist, gibt es Fragen zu klären. Zum Beispiel: Wann kommt er weg und wohin? Erst wenn alle weiteren wichtigen Fragen geklärt sind, ist die Aufgabe Rückholung erfüllt. Das sind aber Zeiträume, bei denen nicht abzusehen ist, ob bis zum Ende der Begleitprozess noch sinnvoll ist.
Neben den rechtlichen Dingen: Welches sind die wichtigsten zu klärenden Fragen in naher Zukunft?
Ein Punkt bei dem wir immer wieder nachhaken ist: Es sollten möglichst viele zeitkritische Arbeiten parallel durchgeführt werden. Schacht 5 ist da ein gutes Beispiel. Dass überhaupt ein solcher Schacht geplant ist, ist ja bereits ein Erfolg des Begleitprozesses. Wir haben sehr früh darauf gedrängt - zu einem Zeitpunkt, als das BfS noch den jetzigen Schacht benutzen wollte. Wie beim Schacht 5, so muss es bei allen Arbeiten geschehen. Zum Beispiel muss man sich jetzt schon um die Beschaffung der Bergetechnik kümmern und entsprechende Ausschreibungen machen.
Nun hat das BfS angekündigt, dem Anbohren stehe nicht mehr viel im Weg. Wie optimistisch stimmt Sie das?
Optimismus ist vielleicht der falsche Begriff an dieser Stelle. Ich hoffe, dass es endlich losgeht. Zwei Jahre sind vergangen, nachdem die Rückholung eigentlich begonnen haben sollte. Es muss bald losgehen, sonst wird die Ungeduld in der Bevölkerung immer größer. Ich glaube es selbst erst dann, wenn die Rückholung tatsächlich angefangen hat.
Was werden Ihrer Meinung nach die wichtigsten Fragen bezüglich der Zwischenlagersuche sein?
Erstmal ist es wichtig, dass das BfS auch mit dieser Frage offen und transparent umgeht. Es kann im Grunde nur auf eine Abwägung herauslaufen zwischen der Belastung, die entsteht, wenn man den Müll im Bergwerk lässt und der Belastung, die bei überirdischer Zwischenlagerung entsteht. Und eine Belastung wird entstehen. Das kann und darf man nicht wegdiskutieren. Auch für die Begleitgruppe wird das mit Sicherheit eine schwierige Zeit, wenn die Bürger zu Recht misstrauisch und skeptisch werden, weil vielleicht neben ihrer Haustür ein Zwischenlager errichtet wird. Die Verantwortung für diese Situation liegt aber eindeutig beim Bund, nicht bei der Begleitgruppe. Das müssen wir deutlich machen.
Arbeit unter Tage: Das Projektmanagement für die Aufgaben in der Asse sollte sich an Industrieprojekten orientieren, fordert Claus Schröder. Fotos: A2B
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