Der JVA-Hungerstreik wird zu einem Politikum. Die Landtagsgrünen haben die Informationspolitik des Justizministeriums im Zusammenhang mit dem Hungerstreik in der JVA Celle kritisiert (WolfenbüttelHeute.de berichtete mehrfach). Unter anderem sollen die heftig auch hier diskutieren Forderungen der Häftlinge, z.B. nach Frauenbesuch und Pay-TV nur auf Hörensagen berufen und sich nicht in der 20-Punkte-Forderung wiederfinden.
“Die öffentlichen Aussagen des Ministers und seines Pressesprechers werfen einige Fragen auf”, sagte der rechtspolitische Sprecher Helge Limburg heute in Hannover. So habe der Minister den Eindruck erweckt, es ginge den Hungerstreikenden um freien Damenbesuch und Zugang zu Alkohol und Internet. Inzwischen sei eingeräumt worden, dass man diese Forderungen nur “vom Hörensagen” kennt. “Es stellt sich die Frage, ob hier gezielt versucht worden ist, den Hungerstreik in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen”, sagte der Grünen-Politiker. Dieser Eindruck werde auch dadurch verstärkt, dass sich das Ministerium weigert, einen direkten Kontakt der Sicherungsverwahrten mit MedienvertreterInnen zuzulassen.
Limburg will nun mit einer Anfrage klären, warum und auf welcher Rechtsgrundlage die Landesregierung den Kontakt der Presse zu den Hungerstreikenden einschränkt und wie genau die Deeskalationsstrategie des Ministeriums konzipiert ist.
Die Kleine Anfrage im Originalwortlaut
Hat das Justizministerium die Öffentlichkeit in Bezug auf den Hungerstreik von Sicherungs-verwahrten in Celle nicht richtig informiert?
Seit Anfang August befinden sich fünf Sicherungsverwahrte in der JVA Celle im Hungerstreik. Laut eigener Aussage wollen sie damit eine Verbesserung ihrer Haftbedingungen erreichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 bereits eine deutliche Verbesserung der Haftbedingungen angemahnt, dem Gesetzgeber allerdings eine Übergangsfrist zur Umsetzung eingeräumt.
Seit Beginn des Hungerstreiks gibt es unterschiedliche Darstellungen darüber, was genau die Sicherungsverwahrten fordern. Zunächst hieß es von Seiten des niedersächsischen Justizministeriums, die Sicherungsverwahrten würden in ihrem Forderungskatalog unter anderem freien Damen-besuch, freien Zugang zum Internet und Alkoholkonsum fordern. Diese Forderungen wurden von Justizminister Busemann (CDU) als „abwegig“ bezeichnet. Die Aussichten zur Erfüllung dieser Forderungen seien „gleich null“ (HAZ vom 02.08.2011) . Am 11.08.2011 räumte jedoch das Justizministerium laut einem Bericht des NDR ein, dass die Hungerstreikenden in ihrem 20-Punkte-Forderungskatalog weder Damenbesuch noch Alkohol einfordern würden. Diese Forderungen seien dem Ministerium demnach nur „vom Hörensagen“ bekannt (NDR-Online vom 11.08.2011).
Gleichwohl ist das Ministerium seit Beginn des Hungerstreiks dem öffentlichen Eindruck, es ginge den Hungerstreikenden im Wesentlichen um Damenbesuch, Alkohol und dem freien Zugang zum Internet, nicht entgegengetreten. Nach Auffassung von Beobachterinnen und Beobachtern hat das Justizministerium durch seine zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu dem Hungerstreik und durch die Äußerungen von Minister Busemann diesen Eindruck stattdessen verstärkt.
Der Presse ist es nicht möglich, diese Fragen direkt mit den Hungerstreikenden zu klären, da das Justizministerium die Berichterstattung in der JVA seit Beginn des Hungerstreiks massiv einschränkt. Filmaufnahmen, die zum Beispiel beim Besuch des Justizministers in der JVA im vergangenen Jahr ausdrücklich zugelassen worden sind, werden nun komplett unterbunden.
Begründet werden diese Maßnahmen unter anderem damit, den Hungerstreikenden einen gesichtswahrenden Abbruch des Hungerstreiks zu ermöglichen. Nach Einschätzung von Beobachterinnen und Beobachtern wird ein solcher gesichtswahrender Abbruch aber gerade dadurch erschwert, dass sich das Justizministerium immer wieder öffentlich bewertend zu dem Hungerstreik äußert.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Wege hat die Landesregierung von dem geplanten Hungerstreik und dem Forderungskatalog der Sicherungsverwahrten erfahren?
2. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Wege hat die Landesregierung von den vermeintli-chen Forderungen nach freiem Damenbesuch, Zugang zu Alkohol und Internet, erfahren?
3. Warum hat die Landesregierung gegenüber der Öffentlichkeit nicht frühzeitig deutlich ge-macht, dass ihr die öffentlich diskutierten Forderungen nur vom „Hörensagen“ bekannt seien?
4. Warum wird die Berichterstattung aus der JVA und der Kontakt der Presse zu den Siche-rungsverwahrten seit Beginn des Hungerstreiks massiv beschränkt?
5. Auf welcher Rechtsgrundlage finden diese Beschränkungen der in Art 5 GG geschützten Be-richterstattung der Presse statt?
6. Wie genau sieht die Deeskalationsstrategie der Landesregierung in Bezug auf den Hunger-streik aus?
Helge Limburg
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