Wolfenbüttel. Seit 2001 bietet die Gedenkstätte der JVA Wolfenbüttel Lehrerfortbildungen an. Sie ist damit neben dem Arbeitskreis Andere Geschichte e.V. in Braunschweig eine der wenigen Institutionen in der Region, die überhaupt Lehrerfortbildungen im Fach Geschichte anbieten. Bei diesen Fortbildungen geht es einerseits um die fachliche Fortbildung der Lehrkräfte und andererseits immer um die Frage nach der unterrichtlichen Einbindung. Die Teilnehmer erhalten dabei Materialien, die bereits in der Seminararbeit in der Gedenkstätte und im Unterricht erprobt sind.
In diesem Jahr befinden wir uns im 70. Jahr der Wiederkehr des „20. Juli 1944“. Vielerorts wird in den nächsten Wochen an die Männer erinnert, die ein Attentat auf Hitler in der Wolfsschanze unternahmen, um ihn zu töten. Beteiligt am Widerstand bzw. seiner Planung waren Menschen auch aus unserer Region. Der frühere Wolfenbütteler Lehrer Werner Schrader, der als Führer des republikfeindlich eingestellten Stahlhelmbundes im Freistaat Braunschweig bis 1933 noch ein erbitterter Gegner der Weimarer Republik gewesen war, und Graf von der Schulenburg.
Viele der am 20. Juli 1944 Beteiligten wurden, wie z.B. Oberstleutnant Graf von Stauffenberg, direkt nach dem Scheitern des Attentats erschossen oder kamen vor den Volksgerichtshof unter Vorsitz von Dr. Roland Freisler und wurden von diesem zum Tode verurteilt und später hingerichtet.
Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel erinnert an Hunderte von nach einem Unrechtsurteil in der NS-Zeit Ermordeten, darunter auch viele Angehörige des deutschen sowie des europäischen Widerstandes. Im Rahmen der Lehrerfortbildung am Montag, 30. Juni 2014, wird dreier Widerstandskämpfer gedacht.
Zunächst geht es um den Hildesheimer Berthold Mehm, der als Angehöriger der Jehovas Zeugen nach dem Verteilen von Flugblättern als Anführer seiner Gruppe vom Sondergericht Hannover zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und nach der Verbüßung der Haft von der Gestapo ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurde. Hier starb er.
Erinnert wird am Beispiel der jungen Lehrerin Marguerite Bervoets auch an den belgischen Widerstand; Bervoets wurde wegen Flugblattverteilens vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Wolfenbüttel hingerichtet.
Anschließend wird eines Juristen gedacht, der gegen das Morden der Nazis protestierte und aktiv dagegen vorging: Dr. Lothar Kreyssig, Amtsrichter in Brandenburg, sah sich als Vormundschaftsrichter von Anstaltsinsassen an. Als ihm das Morden in den Behindertenanstalten bekannt wurde, wandte er sich direkt an den Minister der Justiz, Dr. Franz Gürtner. Er drohte damit, alle an den Morden Beteiligten anzuzeigen.
Indirekt beteiligt an den Morden war auch der damalige geschäftsführende Staatsanwalt am Sondergericht Braunschweig, Dr. Wilhelm Hirte. Hirte war einer der Teilnehmer an der so genannten „T-4 Konferenz“ in Berlin, in der den höchsten Vertretern der Justiz in Deutschland die Pläne zur Vernichtung des angeblich „lebensunwerten Lebens“ vorgestellt wurden, ohne dass es zu einem Protest der teilnehmenden Generalstaatsanwälte oder Oberlandesgerichtspräsidenten gekommen ist.
Die nachmittägliche Fortbildung von 15.00 bis 18.00 Uhr richtet sich an Lehrer_innen sowie an Multiplikatoren im Bereich der historischen Bildung. Interessierte werden gebeten, sich bis zum 12. Juni 2014 im Kompetenzzentrum der TU Braunschweig bzw. unter http://www.nibis.de/nibis.php?menid=1597 und zusätzlich mit Angabe des Geburtsdatums unter arnulf.heinemann@stiftung-ng.de oder unter der Telefonnummer 05331-807244 anzumelden. Dieses ist notwendig, da die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel liegt.
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