Es könnte so einfach sein, mit der Müllentsorgung im Landkreis Wolfenbüttel: Der Abfallentsorgungsbetrieb des Landkreises (ALW) holt den Müll ab, sortiert ihn und verkauft die Wertstoffe wie Holz, Metall und Papier zum Recycling weiter. Nur der Restabfall wird gegen Rechnungsstellung in der Müllverbrennungsanlage in Magdeburg-Rothensee entsorgt. Genau dieses Modell wird gerade praktiziert und hat in den letzten Jahren für Gebührenstabilität gesorgt, die Abholung von Papier erfolgt im Gebiet des Landkreises sogar gebührenfrei, darauf hat Landrat Jörg Röhmann heute im Rahmen eines Pressegesprächs hingewiesen. Aber: Es droht Ungemach aus Berlin.
Seit Jahrzehnten ist die Müllentsorgung eine klassische, kommunale Aufgabe. Doch Müll ist als Wertstoff auch eine begehrte Handelsware, mit der die Kommunen auch Erträge erwirtschaften, die zur Refinanzierung und zum Grundversorgungsauftrag verwendet werden. Die einsamste Mülltonne im ländlichen Raum wird nämlich auch geleert - Dank der Solidargemeinschaft der Gebührenzahler.
Die Bundesregierung plant privaten Wettbewerb in der Müllentsorgung. "Das hat zur Folge, dass die Privatwirtschaft sich den lohnenswerten, verwertbaren Müll rauspickt und der kommunale Pflichtentsorger auf dem Restmüll sitzenbleibt", prognostiziert der Landrat. "Gebührenerhöhungen wären die Folge."
[image=5e1764b8785549ede64ccb7d]"Wir machen uns große Sorgen, dass der Bundestag eine falsche Entscheidung trifft. Diese Rosinenpickerei bedeutet, Gewinne werden privatisiert und die Kosten werden sozialisiert."
Landrat Jörg Röhmann
"Die Pläne der Bundesregierung seien schädlich für die kommunale Daseinsvorsorge", ist sich Röhmann sicher und hofft auf eine Verhinderung der Pläne durch Nichtzustimmung des Bundesrates. Der Landrat kritisiert den ungleichen Wettbewerb: "Der Private stellt seine Sammelbehälter in Ballungsräumen auf und nimmt nur Wertstoffe an. Und wenn sich das nicht lohnt, hört er damit wieder auf. Wir, der kommunale Grunddienstleister müssen trotzdem in den entlegendsten Winkel des Landkreises fahren und den Müll abholen."
[image=5e1764b8785549ede64ccb7e]Der ALW bewegt im Jahr 77.000 Tonnen Müll, davon 25.000 Tonnen verwertbaren Müll, der zur Gegenfinanzierung und zur Gebührenstabilität beiträgt. 28.000 Tonnen sind Restabfall und Gewerbemüll, der kostenpflichtig entsorgt wird. Kippt die Balance durch das Wegbrechen des Wertstoffmülls zugunsten privater Unternehmen, dann bedeutet das nicht nur höhere Kosten, sondern auch das Wegfallen von Arbeitsplätzen. Zur Zeit sind 30 Fahrzeuge und rund 80 Mitarbeiter im Einsatz. Da ein funktionierender Müllwagen mit mindestens zwei Mitarbeitern besetzt sein muss, ist eine Spirale nach unten zwar endlich, aber trotzdem sind die Mitarbeiter besorgt. Deshalb werden sie ab morgen (Mittwoch) mit einer von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unterstützten Kampane auf ihre Sorgen aufmerksam machen. "Unsere Mitarbeiter hängen ab morgen einen Informationsanhänger (Foto) an jede geleerte Mülltonne, um auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen", sagt ALW-Betriebsleiterin Ilona Binkowski. Die Zeit, die dadurch die Tour länger gefahren wird, hängen die Mitarbeiter an Arbeitszeit kostenneutral an.
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